Menschlicher Körper
Ein evolutionäres Kuriositätenkabinett
Jahrmillionen haben wir gebraucht, um zu Menschen zu werden. Die Evolution hat uns das ein oder andere Merkwürdige dagelassen.
Von FOCUS-Online-Redakteurin Christina Steinlein
Ein paar kuriose Bürden hat sie uns aufgeladen, die Evolution. In uns schlummert das Erbe von Jahrmillionen – weshalb wir erstaunliche Talente und Fähigkeiten haben, in vielen Fällen aber auch ebenso erstaunliche Defizite. Wir schleppen ein paar Eigenarten mit, die unseren Vorfahren einmal sehr nützlich waren, in der heutigen Welt aber eher stören.
Von ganz früher stammt zum Beispiel eine Besonderheit, mit der etwa sieben Prozent der Weltbevölkerung durchs Leben gehen: Schwimmhäute zwischen Fingern und Zehen. „Die Anlage dazu ist allen Säugetieren gemein“, erklärt Georg Haszprunar, Professor für Zoologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Alle Embryonen haben im Mutterleib noch Schwimmhäute, vor der Geburt werden sie meist wieder abgebaut.“ Unterbleibt dieser Schritt, wird ein Kind mit paddelartigen Händen geboren. Oder einzelne Finger und Zehen bleiben durch Haut miteinander verbunden.
Aus derselben Zeit wie die Anlage zu Schwimmhäuten kommt der Schluckauf. Bei unseren amphibischen Vorfahren (die Kaulquappen ähnelten) verhinderte er, dass bei der Atmung durch die Kiemen Wasser in die Lunge dringt. Dem menschlichen Embryo ist der Reflex ein Garant fürs Überleben: Ohne Schluckauf könnte er im Mutterleib ertrinken. Säuglinge verschlucken sich dank ihm nicht an der Muttermilch – bei Erwachsenen dagegen erfüllt er keine Funktion, sondern ist nur lästig.
Aus dem Wasser auf den BaumAus derselben Zeit wie die Anlage zu Schwimmhäuten kommt der Schluckauf. Bei unseren amphibischen Vorfahren (die Kaulquappen ähnelten) verhinderte er, dass bei der Atmung durch die Kiemen Wasser in die Lunge dringt. Dem menschlichen Embryo ist der Reflex ein Garant fürs Überleben: Ohne Schluckauf könnte er im Mutterleib ertrinken. Säuglinge verschlucken sich dank ihm nicht an der Muttermilch – bei Erwachsenen dagegen erfüllt er keine Funktion, sondern ist nur lästig.
Vor 50 Millionen Jahren lebten die ersten Primaten, aus denen sich später sowohl die Halbaffen wie die Lemuren Madagaskars als auch sämtliche Affenarten und der Mensch entwickelten. Vermutlich waren die ersten Primaten kleine, baumlebende Säugetiere. Die Entwicklung von ihnen bis zum Menschen war ein langer Weg – heute tauchen immer wieder Atavismen aus dieser Zeitspanne auf: Merkmale bei einzelnen Menschen, die als klassische Evolutionsbelege zählen.
„Alle menschlichen Embryonen haben ein Fell, das sogenannte Lanugohaar“, erläutert Haszprunar. „In sehr seltenen Fällen wird es vor der Geburt nicht rückgebildet.“ In der Folge kommen Menschen mit überdurchschnittlicher Behaarung auf die Welt, sogenannter Hypertrichose. Manche haben ein lokal begrenztes „Fellchen“, bei anderen, häufig als „Wolfsmenschen“ bezeichneten, bedeckt das Haar den ganzen Körper. Tognina Gonsalvus zum Beispiel wurde etwa 1580 geboren und lebte am Hof Heinrichs II. von Frankreich. Sie ist auf verschiedenen Gemälden abgebildet. Stets ausstaffiert wie eine Puppe nahm Tognina an höfischen Veranstaltungen teil. Andere sogenannte Haarmenschen wie das „Affenmädchen“ Julia Pastrana verdienten auf Jahrmärkten ihren Lebensunterhalt.
Die Brustwarzen entwickeln sich aus einer Milchleiste, aus der bei anderen Säugetieren Euter und Zitzen entstehen. Beim Menschen bildet sie sich im Normalfall bis zur Geburt zurück, übrig bleiben zwei Brustwarzen. Aber nicht immer – die Folge sind zusätzliche Brustwarzen, die meist einseitig vorkommen. Sie schaden nicht, werden aber aus kosmetischen Gründen manchmal entfernt. Einige wenige Menschen kommen mit Halsfisteln auf die Welt: ein Zeichen dafür, dass alle Menschen noch die Erbanlage für einen Kiemenbogen in sich tragen. Andere werden mit einem verlängerten Steißbein geboren – wie ein Affenschwanz.
Zu viele Haare und Zähne
Aus der Zeit, als unsere Vorfahren noch Fell trugen, dürfte auch der Greifreflex der Babys stammen. Er garantiert, dass ein Neugeborenes sich in das Fell seiner Mutter krallen und sie es so tragen kann. Nur: Beim Menschen ist das hinfällig, da wir das Fell im Lauf der Entwicklung wieder verloren haben. Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass der Greifreflex bereits im Mutterleib funktioniert – etwa ab der 32. Schwangerschaftswoche. Das ist in etwa der Zeitpunkt, zu dem Bonoboweibchen ihren Nachwuchs gebären, dieser sich also festhalten können muss.
Der Verlust des Fells machte erst die effiziente Temperaturregelung möglich. „Schwitzen ist eine sehr neue Funktion. Schimpansen können es nicht“, sagt Haszprunar. Die Körperhaare sind nur die kläglichen Überreste des einstigen Fells, die dem gängigen Schönheitsideal widersprechen.
Mehr als nur lästig sind Weisheitszähne. Brechen sie nicht vollständig durch den Kiefern, entzünden sie sich leicht, verursachen Fehlstellungen im Kiefer und lösen Krankheiten aus. Für unsere Vorfahren in der Steppe mögen die zusätzlichen Zähne vielleicht noch ganz nützlich gewesen sein. „Aber die Probleme, die uns die Weisheitszähne machen, hatten sie sicher nicht“, sagt Haszprunar. „Es ist eine degenerative Erscheinung, dass unsere Kiefer immer kleiner werden. Die unserer Vorfahren waren eher mit denen von Schimpansen zu vergleichen.“ Platz für zusätzliche Zähne hatten sie also genug.
Die Brustwarzen entwickeln sich aus einer Milchleiste, aus der bei anderen Säugetieren Euter und Zitzen entstehen. Beim Menschen bildet sie sich im Normalfall bis zur Geburt zurück, übrig bleiben zwei Brustwarzen. Aber nicht immer – die Folge sind zusätzliche Brustwarzen, die meist einseitig vorkommen. Sie schaden nicht, werden aber aus kosmetischen Gründen manchmal entfernt. Einige wenige Menschen kommen mit Halsfisteln auf die Welt: ein Zeichen dafür, dass alle Menschen noch die Erbanlage für einen Kiemenbogen in sich tragen. Andere werden mit einem verlängerten Steißbein geboren – wie ein Affenschwanz.
Zu viele Haare und Zähne
Aus der Zeit, als unsere Vorfahren noch Fell trugen, dürfte auch der Greifreflex der Babys stammen. Er garantiert, dass ein Neugeborenes sich in das Fell seiner Mutter krallen und sie es so tragen kann. Nur: Beim Menschen ist das hinfällig, da wir das Fell im Lauf der Entwicklung wieder verloren haben. Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass der Greifreflex bereits im Mutterleib funktioniert – etwa ab der 32. Schwangerschaftswoche. Das ist in etwa der Zeitpunkt, zu dem Bonoboweibchen ihren Nachwuchs gebären, dieser sich also festhalten können muss.
Der Verlust des Fells machte erst die effiziente Temperaturregelung möglich. „Schwitzen ist eine sehr neue Funktion. Schimpansen können es nicht“, sagt Haszprunar. Die Körperhaare sind nur die kläglichen Überreste des einstigen Fells, die dem gängigen Schönheitsideal widersprechen.
Mehr als nur lästig sind Weisheitszähne. Brechen sie nicht vollständig durch den Kiefern, entzünden sie sich leicht, verursachen Fehlstellungen im Kiefer und lösen Krankheiten aus. Für unsere Vorfahren in der Steppe mögen die zusätzlichen Zähne vielleicht noch ganz nützlich gewesen sein. „Aber die Probleme, die uns die Weisheitszähne machen, hatten sie sicher nicht“, sagt Haszprunar. „Es ist eine degenerative Erscheinung, dass unsere Kiefer immer kleiner werden. Die unserer Vorfahren waren eher mit denen von Schimpansen zu vergleichen.“ Platz für zusätzliche Zähne hatten sie also genug.
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