Freitag, 26. August 2011

Ein Jubiläum...mal wieder *gähn*

Meine Damen und Herren,

den letzten Eintrag ziert die schöne Zahl 200.

Besser Arm dran als Arm ab

Regeneration

Unter Regeneration versteht man die Fähigkeit eines Organismus, verloren gegangene Teile zu ersetzen.

Pflanzen sind dazu in der Lage, aber auch sehr viele wirbellose Tiere wie verschiedene Nesseltiere, Ascidien, Plattwürmer u.ä. Unter den Wirbeltieren ist die Fähigkeit weitestgehend verloren gegangen, Organe und Gewebe zu regenerieren. Amphibien wie z. B. die Molche oder Axolotl sind zum Teil in der Lage, verlorene Gliedmaßen, Augen und auch Teile von inneren Organen zu regenerieren. Auch die Fähigkeit mancher Reptilien wie den Eidechsen, ihren Schwanz an einer Sollbruchstelle durch Muskelkontraktion abzuwerfen und anschließend (in reduzierter Form) wieder nachwachsen zu lassen, ist unter den Wirbeltieren eher selten.

Bei den Gliederfüßern ist die Fähigkeit, verloren gegangene Körperteile bei der nächsten Häutung teilweise zu ersetzen, weit verbreitet. Dabei wird je Häutung jeweils ein Stück mehr ersetzt als bei der voran gegangenen Häutung, so dass bei einer genügend großen Anzahl von Häutungen Körperteile auch vollständig ersetzt werden können. Die Anzahl der Häutungen ist aber in einigen Gruppen der Gliederfüßer begrenzt (z.B. bei den Insekten), so dass in diesen Fällen nach der letzten, häufig der Imaginalhäutung, keine weitere Regeneration mehr möglich ist.

Typen von Regeneration

Es werden drei Typen von Regeneration unterschieden:

Epimorphose
Bei der Epimorphose werden vom Organismus die verloren gegangenen Teile durch Zellproliferation vollständig neu geformt. Beispiele für Epimorphose sind die Molche und Seesterne.

Morphallaxis
Bei der Morphallaxis werden die verloren gegangenen Teile durch Umordnen der vorhandenen Zellen neu gebildet. Es werden also keine neuen Zellen gebildet. Der Süßwasserpolyp Hydra vulgaris ist ein klassisches Beispiel für Morphallaxis.

Induktion
Bei der Regeneration durch Induktion handelt es sich um einen weitgehend experimentellen Ansatz, der auf die späten 1930er Jahre zurückgeht. Die gewebespezifische Regeneration wird hierbei durch die Applikation von Geweben (z. B. fein gemahlene Knochen) oder Materialien (z. B. Trypanblau) mit spezifischen induktiven Eigenschaften erzielt.

Bei Säugetieren ist neben der Regeneration die Hypertrophie ebenfalls sehr wichtig für die Wiederherstellung insbesondere von parenchymatösen inneren Organen. Ein Schlüsselelement der Hypertrophie innerer Organe ist die Zunahme an funktionaler Masse durch Zellvergrößerung und weniger die Wiedererlangung der äußeren Organform. Typischerweise tritt Hypertrophie nicht nur bei Beschädigung oder teilweiser Entfernung eines Organs auf, sondern gerade auch bei vermehrter funktioneller Beanspruchung.

Mechanismus

Die Mechanismen, die eine Regeneration ganzer Gliedmaßen, Organe und sogar Teile des Gehirns ermöglichen, sind derzeit Gegenstand intensiver Forschungsbemühungen. Der mexikanische Salamander Axolotl ist aufgrund seiner besonders weitgehenden Regenerationsfähigkeit diesbezüglich ein sehr beliebtes Studienobjekt. Entgegen der bisherigen Annahme, dass nach einer Verletzung zunächst sich die umliegenden Zellen in sogenannte Alleskönner-Zellen (pluripotente Stammzellen) zurückentwickeln und im nächsten Schritt aus diesen alle neuen Zellen entstehen, haben neuere Forschungen hierbei ergeben, dass sich neue Gliedmaßen oder Organe aus Zellen entwickeln, die sich nur jeweils zu bestimmten Gewebetypen weiterentwickeln können. Mit anderen Worten produziert ein jedes Gewebe Vorläuferzellen (engl.: progenitor cells), die nur über ein limitiertes Potential zur Rückentwicklung verfügen. Diese überraschende Entdeckung hat nach Ansicht der beteiligten Forscher bedeutende Konsequenzen für die regenerative Medizin. So zeige das Ergebnis, dass für das komplexe Phänomen der Regeneration keine vollständige Dedifferenzierung der Zellen zurück zum pluripotenten Entwicklungsstadium erforderlich ist. Darüber hinaus seien nun viele Unklarheiten und Unsicherheiten bezüglich des Entwicklungspotentials gelöst.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Regeneration_%28Biologie%29

Bildquelle: http://medgadget.com/2006/05/limb_regenerati.html

Selbstheilung: Wundermittel lässt Finger nachwachsen
15.07.10 | 09:40 Uhr München (ots)

Unser Körper erneuert sich ständig - und rettet so unser Leben. Diesen unglaublichen Reparaturmechanismus wollen die Mediziner schon bald so perfektionieren, dass beschädigte Organe sich von allein wiederherstellen. Wie die Zeitschrift WUNDERWELT WISSEN (Ausgabe 04/2010 ...

München (ots) - 15. Juli 2010 - Unser Körper erneuert sich ständig - und rettet so unser Leben. Diesen unglaublichen Reparaturmechanismus wollen die Mediziner schon bald so perfektionieren, dass beschädigte Organe sich von allein wiederherstellen. Wie die Zeitschrift WUNDERWELT WISSEN (Ausgabe 04/2010 ab morgen im Handel) berichtet, stehen sie kurz vor dem Durchbruch.

iPS-Zellen heißt das Zauberwort, das derzeit weltweit die Wissenschaftler elektrisiert und das der Menschheit völlig neue Perspektiven bei der Heilung von Krankheiten eröffnen soll. Dr. Konrad Hochedlinger, Professor an der Harvard-Universität (USA) und Pionier bei der Entwicklung von Stammzellen des Typs iPS, erklärte im Mai 2010: "Die Milliarden-Dollar-Frage ist, wie lange es dauert, das risikofrei hinzukriegen." Hochedlinger ist zuversichtlich: "Die iPS-Zellen werden das 21. Jahrhundert so verändern wie die Antibiotika das 20. Jahrhundert. Aber einige Jahre wird es noch dauern."

Als "Regenerative Medizin" werden heute die Therapien bezeichnet, bei denen außerhalb des Körpers Zellgewebe hergestellt wird, um geschädigte Organe wieder aufzubauen. Deutschland spielt in der regenerativen Medizin ganz weit vorn mit. So wurde in Würzburg ein Verfahren zur Züchtung von Hauttransplantat aus Eigenhaut entwickelt, die im Reagenzglas innerhalb weniger Wochen wächst und vom Körper so angenommen wird, dass keine Narben entstehen - ein Geschenk des Himmels für Brandopfer. In Tübingen gelang es Wissenschaftlern, durchtrennte Nervenbahnen zu neuem Wachstum anzuregen. Geforscht wird an der Zellzüchtung zur Reparatur geschädigter Herzareale und ganzer Herzklappen.

Das neueste Wundermittel EZM (Exzellulare Matrix) stammt allerdings aus den USA: eine Substanz aus Proteinen, Zucker, Nährstoff und Wasser, die Zellen signalisiert, dass sie wieder wachsen sollen. In Cincinnati wuchs einem Flugzeugmechaniker mit Hilfe der faserigen Masse, die aus getrockneten Schweinsblasen gewonnen wurde, der rechte Mittelfinger nach, der einem Propeller zum Opfer gefallen war. Der Finger funktioniere großartig, berichtet der Patient, nur manchmal rieche er nach Schwein.

Quelle: http://www.ad-hoc-news.de/selbstheilung-wundermittel-laesst-finger-nachwachsen--/de/News/21477867

Bildquelle: http://img.dailymail.co.uk/i/pix/2008/05_01/fingersgpxxDM3004_468x662.jpg

Forscher lassen Fingerkuppe nachwachsen

Nach dem Griff in den Propeller seines Modellflugzeugs fehlten einem Tüftler 1,2 Zentimeter eines Mittelfingers. Die sind inzwischen vollständig nachgewachsen. Der Mann hatte die Wunde täglich mit einem wundersamen Pulver bestäubt. Er nennt die Mixtur Feenstaub. Der stammt allerdings von ziemlich irdischen Tieren.

Als Modellflugzeugbauer lebt man gefährlich. Diese Erfahrung musste Lee Spievack aus Cincinnati kürzlich machen. Der Mann büßte 1,2 Zentimeter seines rechten Mittelfingers ein, als er in den laufenden Propeller einer Miniatur-Maschine fasste. Inzwischen ist der Finger vollständig nachgewachsen, was Spievack auf die tägliche Bestäubung mit einem Pulver zurückführt, dass er selber geheimnisvoll "Feenstaub" nennt.

Tatsächlich handelt es sich dabei um eine getrocknete Substanz, die normalerweise Zell-Zwischenräume ausfüllt, und extrazelluläre Matrix heißt. Stephen Badylak hat das Pulver entwickelt, dem er zuschreibt, neues Zellwachstum anstatt Narbenbildung anregen zu können. Er gewinnt es aus getrockneten Schweineharnblasen.

Der Forscher, ein ausgebildeter Tierarzt, Pathologe und Allgemeinmediziner, startete seine ersten Versuche vor 20 Jahren an einem Hund, dem er Teile der Aorta durch dessen Dünndarmgewebe ersetzte. Darm und Ader verschmolzen, ohne dass eine Narbe zurückblieb. Auf der Suche nach der Substanz, die für die wundersame Erneuerung der Dünndarmwand verantwortlich ist, wurde Badylak in der Blase fündig. Als optimalen Organspender wählte er das Schwein - ihre Gewebestruktur ist jener des Menschen sehr ähnlich.

Dies ist einem großen Umfang an genetischen Gemeinsamkeiten zu verdanken. Sie sind auch der Grund, dass seit einiger Zeit potenzielle Organspender-Schweine geklont werden, deren Herz oder Niere als Transplantate für Menschen in Betracht kommen sollen.

Vorerst sieht Mediziner Badylak die neugewachsene Fingerkuppe als großen Erfolg. Bei seinem Patient stimmt heute selbst das Muster für den Fingerabdruck wieder. Er gibt an, Gefühl bis in die Fingerspitze zu haben, allerdings wachse der Nagel besonders schnell nach, und manchmal rieche der Finger nach Schwein. Das Ergebnis wird von einigen Seiten kritisch betrachtet. Kollegen bemängeln, dass es keine Vergleichsstudien darüber gibt, inwieweit sich die Fingerkuppe selbst regenerieren kann. Der Forscher selbst gibt zu, sich über die genauen Prozesse nicht im Klaren zu sein, die hinter der Heilung stecken.

Sein Mittel kam auch nur deshalb zum Einsatz, weil der Patient das fehlende Stück seines Fingers nach dem Propellerunfall nicht mehr auffinden konnte. In jedem anderen Fall hätte man zunächst versucht, das Stück wieder anzunähen. Die nächstliegende Alternative wäre die Eigentransplantation von Gewebe des Unterarmes oder der Hüfte gewesen.

Doch der Patient bevorzugte das Pulver von Badylak. Derzeit arbeitet der Arzt im Auftrag der DARPA, einer dem Verteidigungsministerium unterstellten Forschungsagentur. An Mäusen will Badylak nun die weiteren Fähigkeiten der extrazellulären Matrix testen. Das Mittel benutzt er inzwischen auch an Soldaten, die im Irak-Krieg Finger verloren haben. "Jeder Zentimeter Gewebe ist da ein Erfolg", sagt Zellforscher Badylak.
I.H.

Quelle: http://www.welt.de/gesundheit/article2021956/Forscher_lassen_Fingerkuppe_nachwachsen.html

Samstag, 20. August 2011

Wie viele Jahre noch bis Cyberpunk?

Neue IBM-Chips ahmen das menschliche Gehirn nach
19.08.2011 | 11:59 von Manfred Kohlen

Programmierbare und lernende Synapsen in Chips sollen Computer stark verändern. Die Synapsen-Chips beruhen auf neurobiologischen Theorien statt auf klassischen Computerchips, die mit Transistoren das bekannte Modell »Eingabe – Verarbeitung – Ausgabe« befolgen.

Die Prototypen ihrer neuen Prozessoren nennen die IBM-Forscher »denkende Computerchips«, im englischen Original etwas genauer »cognitive computing chips«.

Die neue Klasse von Chips soll Dinge wie Wahrnehmung, Kognition und Reaktion des menschlichen Gehirns grob nachahmen. Die »neurosynaptischen Chips« enthalten Schaltungen auf Siliziumbasis, machen dabei jedoch nicht Bekanntes nach dem »Von-Neumann-Computing«-Modell mit Rechen-, Steuer- und Ausgabe-Einheit nach, sondern versuchen im neuen Konzept, von Erfahrungen zu lernen und Assoziationen zwischen den gespeicherten Wissensdaten zu finden.

Die Schaltkreise und Algorithmen sind der Neurobiologie entnommen, teilt IBM mit; sie würden ähnlich arbeiten wie der menschliche Ablauf zwischen Neuronen und Synapsen im Gehirn. Die Prozessorkerne enthalten jeweils 256 Neuronen. Ein Testchip enthalte 262.144 programmierbare Synapsen, der andere 65.536 lernende Synapsen. So sollen bereits maschinelles Sehen, Mustererkennung, sowie assoziative Speicherung und Klassifizierung umgesetzt worden sein, teilt IBM mit.

Die Chips sind ein Ergebnis des Forschungspogramms SyNAPSE im IBM-Forschungszentrum in Almaden und wurden von der DARPA (»Defense Advanced Research Projects Agency«) mit 21 Millionen Dollar gefördert – ein DARPA-Projekt brachte bereits in den 60er-Jahren das Internet auf den Weg.

Quelle: http://www.itespresso.de/2011/08/19/neue-ibm-chips-ahmen-das-menschliche-gehirn-nach/

Cyberpunk

Cyberpunk, gebildet aus Cyber (von altgr.: κυβερνάω steuern, lenken) und Punk ist eine dystopische Richtung der Science-Fiction-Literatur, welche in den 1980er Jahren entstand. Der Begriff wurde von Gardner Dozois geprägt, um die Werke von William Gibson (speziell Neuromancer) zu beschreiben. Cyberpunk gilt als der Film noir unter den Science-Fiction-Genres. Zuerst aufgetaucht ist der Begriff in einer gleichnamigen Kurzgeschichte von Bruce Bethke aus dem Jahr 1980.

Allgemeines
Sony Center in Berlin als Beispiel für mit dem Cyberpunk-Genre assoziierte Architektur

Im Unterschied zu den klassischen Utopien vieler anderer Science-Fiction-Genres ist die Welt des Cyberpunk nicht glänzend und steril-sauber, sondern düster, und von Gewalt und Pessimismus geprägt. Entstanden in den 1980er Jahren spiegelt sie die aufkommende Kritik gegen die als zunehmend empfundene Kommerzialisierung und Urbanisierung wider. In dieser Dystopie werden die Staaten von großen Konzernen kontrolliert, die die staatliche Monopol-Macht für ihre Zwecke missbrauchen, wodurch die (in entwickelten Ländern zuvor vorhandene) physische und ökonomische Sicherheit des Individuums verloren gegangen ist. Das Versprechen einer besseren Welt durch den technologischen Fortschritt wurde nicht eingelöst. Die Hochtechnologie dient nicht dem Wohle der Menschen, sie wird zur allgemeinen Überwachung und zum Tuning lebender Organismen mittels Cyberware eingesetzt.

Einige Leser und Kritiker sehen in diesem Szenario Einflüsse der Kapitalismuskritik: die Konzerne haben die Macht übernommen, Regierungen gibt es keine mehr oder spielen eine sehr untergeordnete Rolle. Für „Ordnung“ sorgen private, paramilitärische Sicherheitsdienste.

Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen oft mit Technologie, wie mit dem von William Gibson geprägten Begriffs des Cyberspaces (eine ähnliche Technologie wird bei Neal Stephenson Metaverse genannt) oder SimStim.

Vor diesem Hintergrund zeichnet Cyberpunk oft das Bild einer Subkultur, die gleichsam als Gegenpol zu einer neuen Weltordnung ohne soziale und persönliche Sicherheit entstand. Die Hauptfiguren sind meist die Verlierer dieser Entwicklung. Es sind Glücksritter und Abenteurer, die – oftmals unfreiwillig – ein Leben abseits der Großkonzerne „im Schatten“ der Gesellschaft führen. Viele Erzählungen setzen sie als Protagonisten der Macht und Skrupellosigkeit der entfesselten Konzerne entgegen. Aus diesem Grund sind Hacker beliebte Figuren in der Cyberpunk-Literatur.

Ein verbreiteter Vertreter des Cyberpunk ist das Rollenspiel Shadowrun mit den auf ihm basierenden Romanen.

Entwicklung
Vorreiter 

In den 1960er Jahren nahm Philip K. Dick, der die Romanvorlage zu Blade Runner „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ lieferte, viele wichtige Themen des späteren Cyberpunks vorweg, obwohl er (schon aufgrund seines viel früheren Schaffens) kein Protagonist des Cyberpunk war. Wegweisend war auch John Brunner, insbesondere mit seinen Romanen Der Schockwellenreiter (1975) und Morgenwelt (1968). Thematische Vorfahren des Cyberpunks sind Daniel F. Galouye, speziell sein Roman Simulacron-3 (1964), und David R. Bunch mit Moderan (1972). Wichtige Einflüsse haben außerdem Harlan Ellison und Harry Harrison geliefert.

Anfänge
Kreuzung in Shibuya
William Gibson schrieb, dass Japan einfach Cyberpunk sei

Als Cyberpunk im engeren Sinne können eigentlich nur Filme und Romane aus den Jahren um 1980 bis circa 1994 bezeichnet werden. Die ersten Werke, für die der Begriff Cyberpunk verwendet wurde, sind wohl der Film Blade Runner (1982) von Ridley Scott und die Romane Neuromancer (1984) von William Gibson, Software (1982) von Rudy Rucker, allerdings gab es frühere Romane der Hauptautoren des Cyberpunk, zum Beispiel Transmaniacon (1979) von John Shirley sowie eine unüberschaubare Zahl an Kurzgeschichten. Auch der Manga Akira (1982), der Anime Bubblegum Crisis (1987), die Fernsehserie Max Headroom und die Hörspielreihe Der letzte Detektiv (beide 1984) können als frühe Beispiele gelten.

Boomzeit

Um 1985 herum setzte im Science-Fiction-Bereich ein regelrechter Boom ein, in der Folge wurden immer mehr Autoren und auch Werke bisher eher „klassischer“ Science-Fiction-Autoren dem Cyberpunk zugeordnet, etwa Greg Bears Blutmusik (1985). Waren die Autoren vorher mit der Schublade Cyberpunk eher unglücklich, so setzte nun eine regelrechte Gegenbewegung ein: Wieder einmal wurde der „Tod der Science-Fiction“ angesagt, Cyberpunk sollte ihre letzte Ausprägung sein. Derweil wandten sich die Schreiber neuen Feldern zu, William Gibson und Bruce Sterling wechselten zunächst mit Die Differenzmaschine zum Steampunk, um sich dann immer mehr in Richtung Gegenwartsliteratur zu bewegen, andere Autoren wie Michael Swanwick integrierten zunehmend Fantasy-Elemente in ihre Romane (Die Tochter des stählernen Drachen, 1993). Die erste Welle des Cyberpunk kann mit dem Jahr 1994 für beendet erklärt werden, obwohl mit Neal Stephenson 1992 noch einmal ein neuer Autor frischen Wind in das Genre brachte. Im Manga/Anime-Bereich entwickelte Blame! (1997) Cyberpunk-Einflüsse in Verbindung mit neueren Motiven des Transhumanismus und Anleihen aus Space-Operas wie Ringwelt das Genre in eine andere Richtung. In die Boomzeit fällt auch das Erscheinen eines der ersten PC-Adventure-Games, Neuromancer, im Jahr 1988, welches viele spätere Cyberpunk-Rollenspiele auf dem PC beeinflussen sollte.

Gegenwart

Derweil waren Cyberpunk-Themen über den Umweg über Musik, Rollenspiele, Comics und Computerspiele immer weiter in die Mainstream-Popkultur vorgedrungen. Als das populärste Cyberpunk-Rollenspiel kann Shadowrun gelten, wobei auch der PC-Spiele-Klassiker Deus Ex zu erwähnen ist, der den Cyberpunk auf dem PC bis Dato am glaubhaftesten darstellt. Mit dem Erscheinen von Billy Idols Album Cyberpunk (1993), spätestens jedoch mit dem Film Matrix war Cyberpunk Allgemeingut geworden und damit als eigenständiges Subgenre der Science Fiction nicht mehr abgrenzbar. Typische Technologie-Themen des Cyberpunk wie Nanotechnologie, Gentechnik und Virtuelle Realität werden heute auch von Mainstream-Autoren wie Michael Crichton und Stephen King behandelt.

Dennoch gibt es immer wieder Versuche, Nachfolgebewegungen zum Cyberpunk auszurufen. Exemplarisch seien hier Steampunk, Biopunk, Post-Cyberpunk und Synergy (benannt nach einer 4-teiligen Anthologie-Serie von George Zebrowski) erwähnt. Diese Begriffe fanden jedoch bisher keine breite Akzeptanz, weil sich die Merkmale oft zu uneinheitlich präsentierten (wie bei Steampunk oder Synergy) oder der neuen „Bewegung“ nur einzelne Autoren zuzuordnen waren (wie beim Biopunk).

Kritik

„Ich habe meine Zweifel daran, dass das Etikett Cyberpunk mehr ist als eine Verkaufshilfe. Ich weiß nicht, was der gemeinsame Nenner zwischen Greg Bear, Lucius Shepherd, Norman Spinrad, William Gibson und Bruce Sterling sein könnte… Ich hätte große Bedenken, Cyberpunk als eine literarische Bewegung oder literarische Schule zu bewerten. Es handelt sich eher um einen Bekanntenkreis, dessen Mitglieder sich gegenseitig hochloben. Die besten dieser Autoren, zum Beispiel Gibson, haben allerdings tatsächlich etwas Neues zu sagen…“

– Darko Suvin: in einem Interview mit Horst Pukallus

Derivate

Cyberpunk lässt sich mit anderen Genres in den Oberbegriff Dark Future einordnen.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Cyberpunk

Sonntag, 14. August 2011

Drachen

Ein Drache (lat. draco, altgriech. δράκων drákōn „Schlange“, eigentlich „der starr Blickende“) ist ein schlangenartiges Mischwesen der Mythologie, in dem sich Eigenschaften von Reptilien, Vögeln und Raubtieren in unterschiedlichen Variationen miteinander verbinden. Häufig ist er geflügelt, mit Adlerklauen oder Löwenpranken ausgestattet und speit Feuer. Der Drache ist als Fabelwesen aus Mythen, Märchen und Sagen bekannt; bis in die Neuzeit wurde er als real existierendes Tier angesehen.



In orientalischen und westlichen Schöpfungsmythen ist der Drache ein Sinnbild des Chaos, ein gott- und menschenfeindliches Ungeheuer, das die fruchtbringenden Wasser zurückhält und Sonne und Mond zu verschlingen droht. Es muss von einem Helden oder Gott im Kampf überwunden und getötet werden, damit die Welt entstehen oder weiterbestehen kann. Der ostasiatische Drache ist dagegen ein ambivalentes Wesen mit überwiegend positiven Eigenschaften. Er ist ein Regen- und ein Glücksbringer, ein Symbol der Fruchtbarkeit und der kaiserlichen Macht.




Beschreibung des Drachenmythos
Aussehen und Attribute

Erzählungen und Bilder von Drachen sind vielen Kulturen und Epochen bekannt, entsprechend mannigfaltig sind seine Erscheinungsformen. Grundsätzlich handelt es sich um ein Mischwesen, das sich aus mehreren real existierenden Tieren zusammensetzt, doch werden die mehrköpfigen Schlangen der antiken Mythologien ebenfalls als Drachen betitelt. Die Schlangenanteile sind bei den meisten Drachen vorherrschend. Der Körper ist meist geschuppt. Der Kopf – oder die Köpfe, oft sind es drei oder sieben – stammt von einem Krokodil, einem Löwen, einem Panther oder einem Wolf. Die Füße sind Tatzen von Raubkatzen oder Adlerklauen. Meist besitzt der Drache vier; es gibt aber auch zweifüßige Formen wie den Wyvern und schlangenartige Mischwesen ohne Füße. Diese werden in Typologien als Kriech-Drachen den Flug-Drachen gegenübergestellt. Die Flügel des Drachen erinnern an Greifvögel oder Fledermäuse. Verbreitete Elemente sind eine gespaltene Zunge, ein scharfer, durchdringender Blick, der feurige Schlund und ein giftiger Atem. Die Abgrenzung zu anderen mythischen Wesen ist nicht immer klar erkennbar. Besonders Schlangenmythen weisen viele Gemeinsamkeiten zu Drachenerzählungen auf, und vom Basilisk entlehnt ist die in manchen Erzählungen geschilderte Herkunft des Drachen aus einem Hahnenei. Der chinesische Drache vereint in sich die Merkmale von neun verschiedenen Tieren: Neben einem Schlangenhals besitzt er den Kopf eines Kamels, die Hörner eines Rehbocks, die Ohren einer Kuh, den Hinterleib einer Muschel, die Schuppen eines Fisches, die Klauen eines Adlers, die Augen des Teufels und die Tatzen des Tigers. Der westliche Drache ist meist von furchterregender Gestalt und Größe; als Sinnbild des Teufels bestimmt die Hässlichkeit seine Erscheinung. In seiner klassischen Form ist er allen vier Elementen zugehörig: Er kann fliegen, schwimmen, kriechen und Feuer speien.

Ikonografie

Der antike Drache war vor allem ein Schreckbild und ein Herrschaftssymbol. Das römische Heer übernahm die Dracostandarte als Feldzeichen von den Dakern und anderen asiatischen Stämmen. Die purpurne Drachenfahne stand dem Kaiser zu; sie wurde ihm in der Schlacht und bei Feierlichkeiten vorangetragen. Das Mittelalter führte diese Symbolik auf Fahnen, Wappen, Schildern und Helmen fort. Als Kaisertier diente der Drache noch Maximilian I., und mit der Thronbesteigung des Hauses Tudor gelangte der goldene Drache in das Wappen von Wales.



Der eigenständige Bildtypus des geflügelten, feuerspeienden Drachen in klarer Abgrenzung von der Schlange setzte sich in Europa erst in der Karolingerzeit durch. In der bildenden Kunst und Emblematik des christlichen Mittelalters erscheint er vor allem als Verkörperung des Teufels oder Dämons. Er dient aber auch als Symbol von Wachsamkeit, Logik, Dialektik, Klugheit und Stärke; in Bauplastik und Buchmalerei finden sich auch rein ornamentale Darstellungen. Ab dem Hochmittelalter ist das vorherrschende Motiv der christlichen Drachendarstellungen der Kampf gegen das Böse und die Erbsünde. Populäre Drachentöter sind der Heilige Georg und Erzengel Michael, manchmal erscheint auch Christus selbst als Sieger über die Bestie. Zuweilen tritt die Schlange aus dem Paradies in Drachengestalt auf, die Bilder des Jüngsten Gerichts zeigen die Hölle als Drachenschlund. Die dämonische Variante ist das Drachenbild, das in der Gegenwart die Fantasy-Kultur übernahm.

Obwohl es auch in Ostasien verschiedene Typen gibt, ist die Darstellung des klassischen chinesischen Drachen Long stark formalisiert. Auf zeremoniellen Gewändern zeigte seine Farbe und die Anzahl der Klauen den Rang des Trägers an. Der gelbe Drache mit fünf Klauen blieb ausschließlich dem Kaiser selbst vorbehalten. Ein besonderes Attribut des chinesischen Drachen ist ein Spielzeug: Zu dem Papierdrachen der chinesischen Feste in New York gehört ein roter Ball, auf Keramik ist seit der Ming-Zeit der Drache verbreitet, der eine Perle jagt. Die Bedeutung des kostbaren Schmuckstücks ist nicht geklärt. Sie könnte den Mond oder die Vollkommenheit symbolisieren.

Literarische Motive

Von allen Elementen wird der Drache am häufigsten mit dem Wasser in Verbindung gebracht. Der ostasiatische Drache bringt den Regen und garantiert die Fruchtbarkeit der Felder, die antiken Drachen sind häufig Meeresungeheuer. In Märchen und Sagen tritt das wasserhütende Untier auf: Es bewacht die einzige Quelle oder den Fluss, der als Nahrungsgrundlage dient, und ist verantwortlich für Überschwemmungen und Dürrekatastrophen. Im Märchen fordert die Bestie regelmäßig Menschenopfer. Die Rettung des Opfers, vorzugsweise einer Jungfrau und Königstochter, sichert dem Sieger ein Königreich. In Höhlen hausende Erd-Drachen bewachen Schätze. Dieses Motiv, das seit der Antike bekannt ist, steht möglicherweise im Zusammenhang mit dem Totenglauben. Noch in Volkssagen des 19. und 20. Jahrhunderts sind es oft Verstorbene, die in Drachengestalt ihre Hinterlassenschaften vor dem Zugriff der Lebenden sichern. Als chthonische Gestalt weist den Drachen auch seine Verbindung zu Schlangen aus. Der Drache ist die Vergrößerung der Schlange ins Grotesk-Phantastische.

Drachenkampf

Das bestimmende Motiv des Drachenmythos in Europa und dem Orient ist der Drachenkampf. Dabei lassen sich mehrere Typen von Erzählungen unterscheiden, etwa nach dem Stand des Helden oder dem Schauplatz (konkret oder undefiniert). In der Antike überwiegt der heroische Kampf, als Drachentöter treten Götter oder mächtige Helden auf.

Der christlich-legendäre Drachenkampf, der in der Hauptsache der biblischen Tradition entstammt, schildert die Auseinandersetzung der Heiligen mit dem Bösen, der Drache dient dabei als Allegorie. Ausschlaggebend ist hier nicht die Körperkraft oder Geschicklichkeit, sondern der Glaube; oft verhilft schon ein Gebet zum Sieg. Der Drache ist kein zwingendes Element dieser Erzählungen, auch andere Untiere wie riesige Wildschweine können seine Funktion übernehmen.

Einen weiteren Typus bildet der ritterlich-adlige Drachentöter, der den Drachen im Zweikampf erschlägt. Zwar verfügen diese Heldenfiguren meist über Stärke, Mut und hohe Moral, müssen jedoch aufgrund der körperlichen Überlegenheit des Drachen oft auch auf eine List zurückgreifen.

Im bürgerlich-bäuerlichen Bereich der Märchen und Sagen werden die bedrohlichen Untiere oft überlistet, vergiftet oder verzaubert. Hier zählt nur das Resultat. Die Volksplage muss beseitigt werden, die Eigenschaften des Drachentöters sind nebensächlich. Der Drachenkampf findet sich bereits in den ältesten orientalischen Drachenmythen. Bis in die Gegenwart wird das Bild des Drachen verwendet, um die Auseinandersetzung von Gut und Böse darzustellen, den Gegner zu dämonisieren und den Sieger als übermächtigen Helden erscheinen zu lassen.

Verbreitung von Drachenmythen


Klassische Drachen 


Vorderer Orient



Die ältesten sumerischen Darstellungen von Drachen finden sich auf Rollsiegeln aus der Uruk-Zeit. Sie gehören zu den Mischwesen, die in einer Vielzahl im Bilderrepertoire des alten Orients vertreten sind. Es lassen sich zwei drachenartige Grundtypen identifizieren: Schlangendrachen (Ende des 4. Jahrtausends v. Chr.), die mindestens zum Teil einer Schlange ähneln, und Löwendrachen, die zumeist aus Elementen von Löwen und Vögeln zusammengesetzt sind (Anfang des 3. Jahrtausends v. Chr.). Der Löwendrache (Löwe mit Adlerflügeln) und der Löwenadler (Adler mit Löwenkopf) sind zwei unterschiedliche Wesen. Wie alle Mischwesen sind die altorientalischen Drachen weder Götter noch Dämonen, sondern gehören zu einer eigenen Klasse übernatürlicher Wesen, deren Namen und Gestalt auf einen Zusammenhang mit dem Tierreich oder mit den Naturgewalten hinweisen. Sie sind nicht eindeutig negativ besetzt. Es gibt Ausnahmen wie die feindlichen vielköpfigen Schlangen, die der frühdynastischen Zeit entstammen. In der Regel treten die frühen Drachen in Text und Bild als mächtige, manchmal gefährliche, manchmal aber auch beschützende Wesen auf.

Die Drachen stehen zunächst in loser Verbindung mit Gottheiten. In der Akkad-Zeit werden sie den Göttern als Diener beigesellt, manchmal sind es Rebellen und besiegte Gegner. Auf Siegeln aus der Zeit um 2500 v. Chr. erscheint bereits das Motiv des Drachenkampfes, das aber erst Jahrhunderte später in mythologischen Erzählungen überliefert ist. Als Drachentöter treten in mesopotamischen Texten des späten 3. Jahrtausends zunächst lokale Götter auf. Vereinigt werden die Traditionen um 2100 v. Chr. im Anzu-Mythos: Der Kriegergott Ninurta aus Nippur siegt über den Löwenadler Anzu, der die Schicksalstafeln gestohlen hat, und löst in der Folge Enlil als obersten Gott des sumerisch-akkadischen Pantheons ab. Die Ninurta-Mythologie verbreitete sich im 1. Jahrtausend mit dem Aufstieg des assyrischen Reiches im ganzen Vorderen Orient; als Nimrod fand er Eingang in die biblische Überlieferung. Während der Anzu-Mythos den Generationswechsel in der Götterhierarchie zum Thema hat, beschreibt ein zweiter orientalischer Typus den Kampf des Wettergottes mit der Urgewalt des Meeres, symbolisiert durch die gehörnte Meeresschlange. Dieses Motiv findet sich im hethitischen Illuyanka-Mythos, der um 1700 v. Chr. entstand, in dem um 1600 v. Chr. niedergeschriebenen ugaritischen Baal-Zyklus und in dem Kampf Marduks, des babylonischen Hauptgottes, gegen die Meeresgottheit Tiamat. Die facettenreichen altorientalischen Mythen schufen ein Bild des Drachen, das bis heute sichtbar ist, denn sie flossen in die Texte des Alten Testaments ein. Der Drache der christlichen Tradition hat im alten Vorderen Orient seinen Ursprung.

Bibel


Die hebräische Bibel benutzt das Wort tannîn für Landschlangen und schlangenartige Meeresdrachen. Daneben kennt sie mit Leviathan und Rahab zwei individuelle, besonders gefährliche Schlangendrachen. Beide kommen aus dem Meer, und in beiden lebt die vorderasiatische Erzähltradition fort. Leviathan ist mit litanu, dem Widersacher Baals, verwandt, der Name Rahab hat wohl mesopotamische Wurzeln. Im Alten Testament tritt Jahwe in die Fußstapfen der orientalischen Wettergötter, zerschmettert den Drachen, zähmt das Meer und wird damit zum Begründer der kosmischen Ordnung.

Der biblische Drachemythos gibt die altorientalischen Vorbilder aber nicht nur wieder, er entwickelt sie weiter. Der Drachenkampf ist nicht mehr nur eine Tat des Anfangs, sondern wird auch zu einer Tat des Endes. Bereits das Buch Daniel schildert Visionen endzeitlicher Löwendrachen, und die Offenbarung des Johannes lässt den Erzengel Michael mit dem grossen feuerroten, siebenköpfigen Schlangendrachen kämpfen. Michael siegt im Himmelskampf, und

„… es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen.“

– Offenbarung, 12, 9

In den Bildern der Apokalypse wird der Drache endgültig zum personifizierten Bösen, der nach seinem Sturz vom Himmel für alle Gewalt verantwortlich zeichnet. Seine Vernichtung fällt mit dem Ende der Welt zusammen.

Griechische und römische Antike






Bei den griechischen Drachen überwiegt der Schlangenaspekt. Die Ungeheuer der griechischen Mythologie kommen aus dem Meer oder hausen in Höhlen. Sie sind oft mehrköpfig, riesig und hässlich, besitzen einen scharfen Blick und einen feurigen Atem, haben aber selten Flügel. Bekannte griechische Drachen sind der hundertköpfige Typhon, die neunköpfige Hydra, der Schlangengott Ophioneus und Python, Wächter des Orakels von Delphi. Ladon bewacht die goldenen Äpfel der Hesperiden, und auch in der Argonautensage taucht das Motiv des Bewachers auf. In dieser Version des Mythos ist es nicht nötig, die Bestie im Kampf zu töten. Bevor Iason das Goldene Vlies raubt, wird der Drache von Medea eingeschläfert. Aus der griechischen Sage stammt die Konstellation von Drache, Held und der schönen Prinzessin, die dem Untier geopfert werden soll. Die Rettung Andromedas vor dem Seeungeheuer Ketos durch Perseus ist seit der Antike ein beliebtes Motiv in der Kunst.

Die Antike hat das Drachenbild nachfolgender Epochen um etliche Facetten bereichert. Von den Griechen und Römern übernahm Europa das Wort „Drache“. Das griechische „drácōn“ („der starr Blickende“, zu gr. „dérkomai“ „ich sehe“) ist als Lehnwort über das Lateinische „draco“ in die europäischen Sprachen gelangt: Als „trahho“ beispielsweise in das Althochdeutsche, als „dragon“ in das Englische und Französische, als „drake“ in das Schwedische. Auf die griechische Astronomie geht die Bezeichnung des gleichnamigen Sternbildes zurück, und auch die europäische Drachen-Symbolik zeigt antiken Einfluss. Die Dracostandarte, ursprünglich ein dakisches oder sarmatisches Feldzeichen, übernahmen die germanischen und slawischen Stämme der Völkerwanderungszeit vom römischen Heer. Das furchterregende Untier ist hier kein Feind, sondern ein Symbol der eigenen Stärke, das den Gegner einschüchtern soll.

Christliches Mittelalter






Das christliche Mittelalter hält die starke Verbindung zwischen Drachen und Teufel aufrecht. Auf Bildern von Exorzismen fahren die Teufel in Form kleiner Drachen aus dem Mund des Besessenen heraus, Dämonen in Drachengestalt zieren Taufbecken und Wasserspeier gotischer Kathedralen. Die allegorische Bildersprache der Bibel übernehmen die Heiligenlegenden. An die 30 Gegner hat der Drache allein in der Legenda aurea, insgesamt sind um die 60 Drachenheilige bekannt. Das Untier steht für die Qualen der Blutzeugen in den Märtyrerakten, in den Viten der frühmittelalterlichen Glaubensboten personifiziert der Drache das Heidentum, die Sünde, später die Ketzerei. Er wird nicht immer im Kampf getötet. Der Sieg über ihn ist ein mit Gottes Hilfe vollzogenes Wunder, es genügt auch das Zeichen des Kreuzes oder ein Gebet, um ihn zu verscheuchen. Drei Drachenheilige rangieren im Hochmittelalter unter den 14 Nothelfern: Margareta von Antiochia, die den Drachen mit dem Kreuzzeichen abwehrte, Cyriakus, der einer Kaisertochter den Teufel austrieb, und Georg. Er wird der populärste aller heiligen Drachentöter; sein Lanzenkampf gegen die Bestie wird bis heute in zahllosen Darstellungen weltweit verbreitet. Die Wappenbilder deutscher Städte, die den Drachen als gemeine Figur zeigen, sind überwiegend von Georgslegenden abgeleitet, und viele Volksbräuche und Drachenfeste lassen sich darauf zurückführen. Bekannt sind zum Beispiel der Further Drachenstich und in Belgien die Ducasse de Mons. Ein spektakuläres Fest ist der katalanische Feuerlauf Correfoc, bei dem feuerspeiende Drachen und Teufel durch die Straßen ziehen. Das Fest hat möglicherweise vorchristlichen Ursprung, ist aber seit dem Mittelalter mit dem katalanischen Landespatron St. Georg verknüpft. In Metz war es dagegen der Legende nach Bischof Clemens, der den im Amphitheater hausenden Drachen Graoully vertrieben und an seiner Stola aus der Stadt geführt hatte. Bis ins 19. Jahrhundert wurde eine Darstellung des Drachen durch die Straßen getragen und von den Kindern der Stadt geschlagen.



Eine herausragende Stellung nimmt der Drache in der ornamentalen Bildkunst der Wikingerzeit ein. Drachenköpfe verzieren Runensteine, Fibeln, Waffen und Kirchen. „Dreki“ ist in der Wikingerzeit eine verbreitete Schiffstypenbezeichnung; als bildliches Motiv am Bug ist der Drache allerdings entgegen modernen Adaptationen archäologisch nicht nachgewiesen. In der germanischen Literatur ist der Drache vom 8. Jahrhundert bis in die Neuzeit gut belegt, besonders in der Heldendichtung, vereinzelt auch in den altnordischen Skalden. Das altenglische Epos Beowulf erwähnt einige Male kriechende oder fliegende Drachen, die unter anderem als Hüter von Schätzen fungieren. In altskandinavischen Quellen schützen sie vor feindlichen Geistern. Das germanische Wort Lindwurm ist ein Pleonasmus: Sowohl das altisländische linnr als auch der wurm bezeichnen eine Schlange, und auch die Beschreibungen der Lindwürmer sind eher schlangen- als drachenähnlich. Die Germanen übernahmen später nicht nur die Bezeichnung, sondern auch die Vorstellung des fliegenden Ungetüms. Der lintdrache des Nibelungenliedes zeigt die Verschmelzung beider Glaubensvorstellungen an. In die mittelalterlichen germanischen Quellen fließen auch Vorstellungen der nordischen Mythologie ein, wie die Midgardschlange oder Fafnir, ein habgieriger Vatermörder in Drachengestalt, von dessen Schicksal die Edda und die Völsunga-Saga berichten. Der Neid-Drache Nidhöggr, der an der Weltenesche nagt, ist dagegen eher auf christliche Visionsliteratur zurückzuführen. Die Beziehungen zwischen nichtchristlichem und christlichem Erbe sind im Einzelnen ungewiss.

Im Hochmittelalter wird der Drache ein beliebter Gegner der Ritter in der Heldenepik und im höfischen Roman. In der Artustradition, besonders aber in dem Sagenkreis um Dietrich von Bern ist ein Drachenkampf fast schon obligatorischer Bestandteil eines heroischen Lebenslaufes. Mit dem Sieg rettet der Held eine Jungfrau oder ein ganzes Land, erwirbt einen Schatz oder stellt einfach seinen Mut unter Beweis. Die besonderen Eigenschaften des Unterlegenen gehen oft auf den Sieger über: Das Bad im Drachenblut macht Siegfried unverwundbar, andere Helden verspeisen deswegen das Drachenherz.

Frühe Naturwissenschaft






Eine Synthese antiker und christlicher Traditionen ist in den Ansichten der mittelalterlichen Gelehrten über den Drachen zu beobachten. Bereits Plinius der Ältere schrieb Teilen des Drachenkörpers eine medizinische Wirkung zu, Solinus, Isidor, Cassiodor und andere ordneten die Bestie in das Tierreich ein. Die mittelalterlichen Naturforscher waren, angesichts der Fülle biblischer Belegstellen, erst recht von der realen Existenz der Untiere überzeugt. „Mit Ausnahme seines Fettes ist nichts von seinem Fleische und den Knochen für Heilzwecke verwendbar …“, schrieb Hildegard von Bingen in ihrer Naturlehre. Von Drachen wurde geglaubt, dass sie etwa aus den Leibern erschlagener Menschen auf Schlachtfeldern entstehend konnten, ähnlich wie etwa Maden aus Tierkadavern „entstehen“.



Detaillierte Systematiken der verschiedenen Drachenarten stellten die Forscher der Frühen Neuzeit auf: Conrad Gessner in seinem „Schlangenbuch“ von 1587, Athanasius Kircher im „Mundus Subterraneus“ von 1665 oder Ulisse Aldrovandi in dem Werk „Serpentum et Draconum historia“ von 1640. Bis weit in die Neuzeit blieben Drachen ein Teil der belebten Natur, für deren Existenz es auch scheinbar Beweise gab. Für frühe naturwissenschaftliche Sammlungen und Naturalienkabinette erwarben die Gelehrten Fundstücke aus fernen Ländern, die aus getrockneten Rochen, Krokodilen, Fledermäusen und Echsen zusammengestellt waren – im heutigen Sinne Fälschungen, im Verständnis der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur „Rekonstruktionen“, die die Entdeckung eines „echten“ Drachen lediglich vorwegnahmen. Noch Zedlers Universal-Lexikon meinte, der Drache sei:

„… eine ungeheure grosse Schlange, die sich in abgelegenen Wüsteneyen, Bergen und Stein-Klüfften aufzuhalten pfleget, und Menschen und Vieh grossen Schaden zufüget. Man findet ihrer vielerley Gestalten und Arten; denn etliche sind geflügelt, andere nicht; etliche haben zwey, andere vier Füsse, Kopff und Schwantz aber ist Schlangen-Art.“

– Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste

Erst die modernen Naturwissenschaften im 17. Jahrhundert verwarfen die meisten dieser Vorstellungen, es gab aber auch früh schon kritische Stimmen. Bereits Bernhard von Clairvaux lehnte es ab, an Drachen zu glauben, und Albertus Magnus hielt die Berichte über fliegende, feuerspeiende Wesen für Beobachtungen von Kometen. Die Alchemie verwendete den Drachen lediglich als Symbol: Ouroboros, der sich in den eigenen Schwanz beißt und allmählich selbst auffrisst, stand für die Prima materia, den Ausgangsstoff zur Herstellung des Steins der Weisen. Die moderne Zoologie schloss den Drachen seit Carl von Linné aus ihrer Systematik aus, doch außerhalb des streng wissenschaftlichen Diskurses blieb er weitaus hartnäckiger „real“ als viele andere mythologische Wesen. Die Jagd nach Saurier-Drachen (siehe unten) war noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein ernsthaft betriebenes Geschäft.

Märchen und Sage

Der Drache ist eines der verbreitetsten Motive im europäischen Märchen. In dem wohl häufigsten Typ von Drachenmärchen, dem „Drachentöter“ (AaTh 300), tritt das Ungetüm als übernatürlicher Gegner auf. Als Held stellt sich ihm oft ein einfacher Mann entgegen: Der Sieger über die Bestie kann ein Schneider, ein Sterngucker oder ein Dieb sein. Entsprechend ist der Sieg nicht immer mit Waffengewalt zu gewinnen, sondern bedarf einer List oder eines Zaubers. Als Helfer treten wohlgesinnte Tiere oder kluge Menschen auf. Mit dem Mythos und der Heldensage ist das Märchen eng verwandt, was in den Drachenmärchen besonders deutlich zum Vorschein kommt. Die Motive stimmen bis in die Details überein: Oft muss eine Jungfrau gerettet, ein Schatz gewonnen oder die Drachenzunge herausgeschnitten werden, damit der Held einen Beweis erhält, dass er selbst und nicht ein Nebenbuhler das Untier erlegt hat.

Neben dem Drachentöter gibt es noch eine Reihe weiterer Märchentypen, in denen der Drache eine Rolle spielt. Weit verbreitet ist die Erzählung vom Tiergemahl: Der Held ist hier in ein Tier, oft einen Drachen, verwandelt. Die Braut muss den Zauber brechen und den Helden durch Liebe und Standhaftigkeit erlösen. Die Vermischung von Drachen und Menschen tritt in osteuropäischen Märchen häufiger auf. Der slawische Drache ist zuweilen ein halbmenschlicher Held, der reiten kann und mit ritterlichen Waffen kämpft, und der nur noch durch seine Flügel als Drache erkennbar ist.

                                      
Tatzelwurm


Bei den Drachensagen sind zwei Typen zu unterscheiden. Zum einen ätiologische Sagen, die schildern, wie ein Ort zu seinem Namen kam; zu diesen gehört die Geschichte von Tarasque, auf den die südfranzösische Stadt Tarascon ihren Namen zurückführt, oder die Sage vom Wawel-Drachen, nach dem der Wawel-Hügel in Krakau benannt ist. Der zweite Typus sind Erklärungssagen, die besondere Naturerscheinungen (zum Beispiel „Fußabdrücke“ im Fels) der Einwirkung von Drachen zuschreiben. Im Bereich der Sage sind die „Augenzeugenberichte“ angesiedelt, die beispielsweise den alpenländischen Tatzelwurm bekannt gemacht haben – noch den Chronisten der Renaissance galt der Alpendrache, dem viele Alpenbewohner begegnet sein wollten, als real existierendes Tier. Die europäischen Drachensagen zeichnen sich gegenüber dem Märchen allgemein durch eine größere Realitätsnähe aus. Ort und Zeit des Geschehens sind immer angegeben: Die lokalen Drachengeschichten konservieren den Stolz der Bewohner, etwas „Besonderes“ zu sein. Und es gibt nicht immer ein Happy-End. Der Sieg über den Drachen kann den Helden auch das Leben kosten.

Ostasien



Die ältesten ostasiatischen Darstellungen drachenähnlicher Mischwesen stammen aus dem chinesischen Raum. Die neolithischen Kulturen am gelben Fluss hinterließen Objekte aus Muscheln und Jade, die Schlangen mit Schweinen und anderen Tieren kombinieren. Ab der Shang-Dynastie (15.–11. Jh. v. Chr.) symbolisierte der Drache die königliche Macht, und die Han-Dynastie (206 v. Chr.–220 n. Chr.) legte seine Form fest. Der chinesische Drache Long ist der wichtigste Ursprung fernöstlicher Drachenvorstellungen: Seit der Song-Dynastie (10. Jahrhundert n. Chr.) übernahm der Buddhismus das Mischwesen und verbreitete es im gesamten ostasiatischen Raum.



Der chinesische Drache hat eine positivere Bedeutung als sein westliches Gegenstück. Er steht für den Frühling, das Wasser und den Regen. Da er die Merkmale von neun verschiedenen Tieren in sich vereint, ist er nach chinesischer Zahlenmystik dem Yang, dem aktiven Prinzip, zugeordnet. Ferner vertritt er eine der fünf traditionellen Arten von Lebewesen, die Schuppentiere, und im chinesischen Tierkreis ist er das fünfte unter zwölf Tieren. Der Drache der chinesischen Volkserzählungen besitzt magische Fähigkeiten und ist überaus langlebig: Jahrtausende kann es dauern, bis er seine endgültige Größe erreicht. Als Kaisertier hat er fünf Klauen und ist von gelber Farbe, ansonsten hat er nur vier Klauen, wie zum Beispiel in der Flagge Bhutans. Das Duo Drache und Phönix repräsentieren seit der Zeit der streitenden Reiche den Kaiser und die Kaiserin. Dem gebieterischen und beschützenden Drachen der Mythologie steht aber auch der unheilbringende Drache der chinesischen Volksmärchen gegenüber. So ist der Drache in China kein durchweg positives, sondern ein ambivalentes Wesen.

Der Drache spielt eine grosse Rolle in der chinesischen Kunst und Kultur: Es gibt Skulpturen aus Granit, Holz oder Jade, Tuschezeichnungen, Lackarbeiten, Stickerei, Porzellan- und Keramikfiguren. Drachenmythen und Rituale sind schriftlich bereits im I Ging-Buch aus dem 11. Jh. v. Chr. überliefert, und die Frühlings- und Herbstannalen schildern Drachenzeremonien, die Regen herbeirufen sollten. Auf die Prä-Han-Zeit geht das Drachenbootfest in seiner heutigen Form zurück, Drachentänze und Prozessionen gehören auch zum chinesischen Neujahrsfest und zum Laternenfest. Das Feng Shui berücksichtigt den Drachen beim Häuserbau, Gartengestaltung und Landschaftsplanung, und die chinesische Medizin kennt Rezepte aus Drachenknochen, -zähnen oder Drachenspeichel; Ausgangsstoffe dafür sind zum Beispiel Fossilien oder Reptilienhäute.

Der thailändische Mang-gon, die Drachen in Tibet, Vietnam, Korea, Bhutan oder Japan haben chinesische Wurzeln, die sich mit lokalen Traditionen vermischt haben. Einige Elemente fernöstlicher Drachenkulte lassen daneben auch Parallelen mit den Nagas erkennen, den Schlangengottheiten der indischen Mythologie. So verfügen die Drachen aus japanischen und koreanischen Mythen oft über eine Fähigkeit zur Metamorphose: Sie können sich in Menschen verwandeln, und Menschen können als Drachen wiedergeboren werden. Die Hochachtung vor den Herrschern über das Wasser brachte es mit sich, dass der Tennō eine Abstammung vom Drachenkönig Ryūjin für sich in Anspruch nahm. Ebenso führten die koreanischen Könige ihre Ahnenreihe auf Drachengottheiten zurück. Eine besonders starke lokale Überlieferung hat das Drachenbild in Indonesien geprägt: hier ist das Fabelwesen im Gegensatz zu China weiblich und beschützt die Felder zur Erntezeit vor Mäusen. Über Kinderwiegen werden Drachenbilder aufgehängt, um dem Nachwuchs einen ruhigen Schlaf zu sichern.

Amerika


Mischwesen mit Schlangenanteilen sind auch den Mythologien Süd-, Mittel- und Nordamerikas nicht fremd. Am bekanntesten ist die Amphithere oder gefiederte Schlange, eine Erscheinungsform, die beispielsweise der mesoamerikanische Gott Quetzalcoatl annimmt, doch es gibt auch andere Typen. In Nord- und Südamerika ist die doppelköpfige Schlange verbreitet; neben den beiden Köpfen – an jedem Ende einer – trägt sie zuweilen auch in der Mitte einen dritten, menschlichen Kopf. Chile kannte die Fuchs-Schlange „guruvilu“, die Andenbewohner „amaro“, eine Mischung aus Schlange und einem katzenartigen Raubtier. Regengott Tlaloc konnte die Gestalt eines Mischwesens aus Schlange und Jaguar annehmen, und auch das Feuerelement ist im Schlangenkult Amerikas vertreten: Die Feuerschlange Xiuhcoatl war bei den Azteken für Dürre und Missernten verantwortlich. Detailuntersuchungen widmeten sich insbesondere den Göttern und Fabelwesen der Olmeken. Ein Mischwesen mit Anteilen von Kaiman, Igel, Jaguar, Mensch und Schlange findet sich in großer Zahl auf Steinmonumenten und Keramik, die beispielsweise in San Lorenzo Tenochtitlan, Las Bocas und Tlapacoya gefunden wurden. Eine Einordnung dieses Wesens in einen mythologischen Zusammenhang ist jedoch unmöglich, da Schriftzeugnisse fehlen. Die amerikanischen und die ostasiatischen Drachendarstellungen zeigen viele Ähnlichkeiten. Das Drachenmotiv diente daher auch als Argumentationshilfe für Versuche, transpazifische Beziehungen zwischen China und dem präkolumbianischen Amerika zu finden. Einen allgemein anerkannten Beweis dafür gibt es jedoch bis heute nicht.

Islam 


Arabische Wörterbücher bezeichnen den Drachen als Tinnin / ‏تنين‎ / tinnīn oder Thuʿban / ‏ثعبان‎ / ṯuʿbān, die gängige persische Bezeichnung ist Azhdaha / ‏اژدها‎ / Aždahā. Er ist im allgemeinen Land-, oft Höhlenbewohner, und er verkörpert wie der westliche Drache das Böse. Die Bilder von Drachen in der islamischen Kultur vereinen westliche und östliche Elemente zu einem eigenständigen Stil. In ihnen ist vorislamisch-persischer, indischer, griechischer, jüdischer und chinesischer Einfluss spürbar.

In der mittelalterlichen arabischen Welt ist der Drache ein verbreitetes astronomisches und astrologisches Symbol. In Schlangengestalt erscheint er bereits im Kitab Suwar al-Kawakib ath-Thabita („Buch von der Gestalt der Fixsterne“, 1009–1010 n. Chr.), wo er das gleichnamige Sternbild illustriert. Auf die indischen Nagas geht die Vorstellung zurück, ein riesiger Drache lagere am Himmel, wo sein Kopf und Schwanz den oberen und unteren Knotenpunkt des Mondes bilden. Der Himmelsdrache wurde für Sonnen- und Mondfinsternisse sowie Kometen verantwortlich gemacht.

Trotz der vorwiegend „westlichen“ Ausrichtung auf den Typ des unheilvollen Drachen zeigen islamische Bilder seit der mongolischen Expansion im 13. Jahrhundert unverkennbar chinesischen Einfluss. Der Drache, der Schwertgriffe, Bucheinbände, Teppiche und Porzellan verziert, ist eine lange, wellenförmige Kreatur mit Fühlern und Backenbart. Miniaturen in Manuskripten des 14.–17. Jahrhundert aus Persien, Türkei und dem Mogulreich liefern zahlreiche Beispiele dieses Typs.

In der islamischen Literatur überwiegt der traditionelle Drachenkampf. Viele Drachengeschichten überliefert Schāhnāme, das Buch der Könige, das um 1010 n. Chr. entstand. Als Drachentöter treten mythische Helden und historische Persönlichkeiten auf: Der legendäre Held Rostam, Großkönig Bahram Gur oder Alexander der Große. Eine der Hauptfiguren des Schāhnāme ist der mythische Drachenkönig Zahhak oder Dhohhak, der vom Helden Firaidun nach tausendjähriger Herrschaft besiegt wird. Die persischen Geschichten wurzeln in Mythen der Veda- und Avesta-Zeit, haben aber eine starke historische Komponente. Sie beziehen sich auf den Kampf gegen Fremdherrschaft und zeitgenössische religiöse Auseinandersetzungen. Ein ganz anderer Typus des Drachen findet sich in den Qisas al-Anbiyya (Prophetenlegenden). Bei dem Propheten handelt es sich um Mose; die Bestie ist sein Stab. Wird der Stab auf den Boden geworfen, verwandelt er sich in einen Drachen und hilft dem Propheten im Kampf gegen allerlei Gegner. Das Untier ist in den Qisas eine furchterregende Hilfskraft auf der richtigen Seite.

Drachen in der Moderne

Drachen und Saurier 


Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts die neue Wissenschaft der Paläontologie die Saurier entdeckte, erhielt der Drachenmythos eine neue Facette. Bibeltreue Christen erklärten sich die fossilen Funde als Überreste vorsintflutlicher Tiere, die auf der Arche keinen Platz gefunden hätten. Doch auch die tatsächliche Existenz der riesigen Ungeheuer, von denen die Bibel spricht, schien bewiesen. 1840 erschien „The book of the great sea Dragons“. Sein Autor, der Fossiliensammler Thomas Hawkins, setzte die biblischen Meeresdrachen mit dem Ichthyosaurus und dem Plesiosaurus gleich; das Vorbild für den geflügelten Drachen fand er im Pterodaktylus. Wenn aber die Saurier lange genug überlebt haben, um als Drachen Eingang in mythische Erzählungen zu finden, dann könnten sie in der Gegenwart immer noch existieren, so der folgerichtige Schluss. Die Suche nach rezenten Riesenechsen wurde im 19. und frühen 20. Jahrhundert zum ernsthaften Geschäft, beflügelt nicht zuletzt durch den großen Erfolg von Conan Doyles Roman „The lost world“ von 1912. Carl Hagenbeck ließ in Rhodesien nach einem riesigen Tier suchen, das seine Gewährsleute als „Halb Elefant, halb Drache“ schilderten, und das er als Brontosaurus zu identifizieren glaubte.

Während die Paläontologie also dazu beitrug, den Drachenglauben zu festigen und in die Moderne zu übertragen, wirkte der alte Mythos auch die umgekehrte Richtung. Die frühen Modelle und Illustrationen der Saurier, allen voran die populären Darstellungen des Briten Benjamin Waterhouse Hawkins, waren ebenso wie die heutigen auf Interpretationen der Funde angewiesen, und die traditionelle Vorstellung des Drachen ging in diese Deutungen ein. So soll Hawkins für seine Rekonstruktion eines Flugsauriers eigens den 1847 ausgegrabenen Pterodactylus giganteus ausgewählt haben, der mit einer Flügelweite von 4,90 Metern der Drachenvorstellung nahekam. Der damals bekanntere, bereits von Georges Cuvier beschriebene Pterodactylus war dagegen kaum größer als ein Spatz.

Fantasy-Kultur


Die Figur des Drachen erlebt in der Fantasy-Kultur eine Renaissance. J. R. R. Tolkien benutzte für seinen Smaug das traditionelle Motiv des Schatzhüters, und auch in neueren Fantasyromanen und Rollenspielen, Filmen und Musicals nehmen die Autoren Anleihen bei Märchen, Heldenepen und Volksballaden. Die traditionelle Bedeutung des Drachen wird jedoch häufig aufgebrochen. Fantasydrachen sind nicht einheitlich „gut“ oder „böse“. In einigen Rollenspielen – beispielsweise Dungeons and Dragons – nehmen Drachen beide Seiten ein. In anderen – wie Gothic II – muss man die Drachen töten, um die Welt zu retten oder ein Unglück abzuwenden. In Anne McCaffreys Science-Fiction-Romanen kämpfen sie gar an der Seite von Menschen gegen gemeinsame Feinde. Drachen in der Fantasy-Kultur verfügen meistens über Eigenschaften wie Echsenähnlichkeit, Flugfähigkeit, Feueratem oder ähnliche Fähigkeiten, Größe, Intelligenz und magische Begabung. Grundsätzlich sind sie mit etwas Magischem verbunden, einer Aufgabe oder einer Geschichte, und oft besitzen sie Weisheit. Die düstere Ästhetik der Fantasybilder enthält auch ein Element der Faszination: Fantasydrachen sind gleichzeitig schrecklich und schön, edel und furchterregend. Auffallend ist, dass in den meisten Spielen der Drache zu bekämpfen oder zu finden ist, aber selten, wie in Spyro, selbst zu spielen. Als neueres Element zu den überlieferten Bedeutungsmöglichkeiten des Drachen tritt der „freundliche Drache“ auf. Dabei werden Drachen als Stilmittel genutzt, um den guten Kern im Bösen oder äußerlich Gewaltigen darzustellen; Beispiele hierfür sind etwa Eragon, Dragonheart oder Drachenzähmen leicht gemacht.

Kinderliteratur und Zeichentrickserien


Endgültig in sein Gegenteil verkehrt wird das Drachensymbol in modernen Kinderbüchern: Hier ist der Drache ein niedliches, freundliches und zahmes Wesen. Den Anfang machte bereits der britische Schriftsteller Kenneth Grahame mit seinem Werk Der Drache, der nicht kämpfen wollte von 1898, einem Antikriegsbuch, das alte Feindbilder aufbrechen und der positiven Einstellung zu Krieg und Gewalt etwas entgegensetzen wollte. In deutschsprachiger Kinderliteratur wurde die Figur erst nach dem Zweiten Weltkrieg populär. Einer der Vorreiter der Drachenwelle war Michael Ende: In seiner Jim Knopf-Reihe von 1960–62 tritt der hilfsbereite Halbdrache Nepomuk noch neben stinkenden, lauten „echten“ Drachen auf. Ab den 1970ern erschienen zahllose Drachenbücher und Zeichentrickfilme. Surrealistisch wirken die anfangs degenerierten Wiener Drachen Martin und Georg in Helmut Zenkers Kinderromanen vom Drachen Martin; bekannt sind auch Peter Maffays grüner Tabaluga, der Halbdinosaurier Urmel aus dem Eis, die Drachen des Österreichers Franz Sales Sklenitzka oder der kleine Grisu, der eigentlich Feuerwehrmann werden will und doch zuweilen ungewollt seine Umgebung in Brand steckt. „Die kleinen Lerndrachen“ sind die Namensgeber einer Reihe von Lernbüchern aus dem Ernst Klett Verlag. Die Fabelwesen in den Kinderbüchern haben nun gar keine negativen Eigenschaften mehr; sie sind durch und durch lieb und tun keiner Fliege etwas zuleide, außer aus Versehen. An der Entschärfung der alten Schreckbilder wird durchaus auch Kritik geübt. Das alte Sinnbild des Teufels würde so seiner Funktion beraubt, bei der Bewältigung des Bösen in der Wirklichkeit zu helfen.

Moderne Symbolik und Werbung

Die Symbolkraft des Drachen ist in der Gegenwart ungebrochen, trotz der Vielfalt an Typen und Bedeutungsnuancen, die sich in der jahrtausendelangen Entwicklung des Mythos herausgebildet haben. Als beinahe weltweit bekanntes Fabelwesen mit einem hohen Wiedererkennungswert verwendet ihn die Werbebranche als Markenzeichen, Vereinen, Clubs und Institutionen dient er als Emblem und Städten, Ländern und Fußballclubs als Wappentier. Von den traditionellen Bedeutungen ist im modernen Kontext das Element der Stärke ausschlaggebend. Der rote Drache auf walisischen Produkten wirbt mit dem Stolz auf das alte Nationalsymbol und für die Macht Chinas ist der Drache eine allgemein verständliche Metapher. Die Bösartigkeit hat der Drache auch in den westlichen Industrieländern weitgehend eingebüßt. Der Bedeutungswandel erklärt sich einerseits mit dem Einfluss der Fantasy-Kultur und der Kinderliteratur. Das Drachenlogo eines Hustenbonbons etwa zeigt ein possierliches buntes Tierchen, das lächelnd eine Frucht anbietet. Andererseits sind im globalen Marketing spezifische Anforderungen zu erfüllen. Werbekampagnen, in denen böse Drachen auftreten, sind im weltweiten Maßstab nicht durchsetzbar. So musste der Sportartikelhersteller Nike 2004 eine Kampagne in China absetzen, in der Basketballstar LeBron James als Drachenkämpfer auftrat. Der Sieg über Chinas Nationalsymbol wurde dort als Provokation empfunden.

Erklärungen
Naturgeschichtliche Ursprungshypothesen

Eine Reihe von Theorien versucht, die Entstehung der Drachenfigur auf reale Naturerscheinungen zurückzuführen. Obwohl in seriöser Forschung schon früh abgelehnt, wird bis heute in pseudo- und populärwissenschaftlichen Darstellungen die Frage erörtert, ob und unter welchen Umständen die Erinnerung an Saurier an den Menschen gekommen sein könnte. Auch heutige Tierarten wie der indonesische Komodowaran oder die ebenfalls südasiatischen Arten des Gemeinen Flugdrachens und der Kragenechse werden als Ursprung des Drachenmythos diskutiert, und die − wissenschaftlich allerdings nicht anerkannte − Kryptozoologie betreibt die Suche nach weiteren, noch unentdeckten Tierarten, die als Vorbilder gedient haben sollen.

Bildquelle: http://www.globespots.com/places.php?category=dinosaur%20places
Darstellung eines Stegosaurus auf einem Relief der im 12. Jahrhundert entstandenen Tempelstadt in Angkor (Kambodscha). (Anmerkung von mir U.O.)

Eine andere Hypothese nimmt an, dass der Drachenmythos auf Fossilienfunde zurückzuführen sei. Zwar haben in Höhlen gefundene Skelettreste vorzeitlicher Tiere, etwa Höhlenbären und Wollnashörnern, nachweislich einzelne Drachensagen beeinflusst. Den Mythos selbst können die Fossilienfunde aber nicht erklären. Die moderne Naturwissenschaft beschäftigt sich mit der Drachenkunde nicht mehr.

Mythologische Deutung

In den kosmogonischen Mythen Europas und des Vorderen Orients überwiegt die Vorstellung des Drachen als Symbol des Chaos, der Finsternis und der menschenfeindlichen Mächte. Die Mythenforschung des 19. Jahrhunderts setzte den Drachen daher in engen Zusammenhang mit dem Mond; die „Vernichtung“ und das Wiedererscheinen des Mondes spiegele sich im Drachenmythos wider, so die Auffassung des Indologen Ernst Siecke. Die Deutung des Drachen als Symbol für den Widerstreit der Naturkräfte, den Wechsel der Jahreszeiten und den Sieg des Sommers über den Winter gehört ebenfalls zu den „lunaren“ Erklärungsversuchen der frühen mythologischen Forschung. Im 20. Jahrhundert erkannte eine neuere Forschergeneration, vertreten zum Beispiel durch den Franzosen Georges Dumézil, den Niederländer Jan de Vries und den Rumänen Mircea Eliade, im Drachenkampf eine Parallele zu den Initiationsriten. Der Kampf wird in dieser Erklärung der Initiationsprüfung gleichgesetzt: So wie der Held den Drachen besiegen muss, so muss der Initiand eine Prüfung bestehen, um in eine neue Stufe seines Lebenszyklus eintreten zu können. Die Begegnung mit einem bedrohlichen Wesen, ein rituelles Verschlungenwerden und eine anschließende „Wiedergeburt“ sind häufige Bestandteile von Initiationsritualen. De Vries sah darüber hinaus im Drachenkampf einen Widerhall der Schöpfungstat. Ebenso wie die Initiation sei der Kampf mit der Bestie eine Nachahmung der Schöpfungsereignisse. Der Kampf ist es, der den Drachen am deutlichsten von der mythischen Schlange unterscheidet. Im Gegensatz zu ihr vereint das Mischwesen in sich die gefährlichsten Merkmale verschiedener Tiere und menschenfeindlichen Elemente. Der Drache wird damit zum perfekten Gegner.

Die Drachenvorstellung Ostasiens war in sehr früher Zeit möglicherweise mit dem Totemismus verbunden, wobei der Drache ein Kompositum verschiedener Totemtiere darstellen soll. In Fernost wurde er einerseits zum Symbol der kaiserlichen Herrschaft, andererseits zu einer Wassergottheit. Zeremonien, bei denen Drachen um Regen angefleht werden, weisen ihn geradezu als Regengott aus; wie das Rind steht der Drache im Zusammenhang mit einem Fruchtbarkeitskult. Die Verbindung mit dem Wasser ist allen Drachenmythen gemeinsam. Eine Synthese „westlicher“ und „östlicher“ Vorstellungen stellt Rüdiger Vossen vor: Die Wunschbilder „Bändigung des Wassers, Bitten um ausreichenden Regen und um Fruchtbarkeit für Felder und Menschen“ sind nach seiner Auffassung Bindeglieder der Drachenmythen verschiedener Kulturen.

Psychologische Deutung 

In der von Carl Gustav Jung (1875–1961) gegründeten Analytischen Psychologie gilt der Drache als Ausprägung des negativen Aspekts des sogenannten Mutterarchetyps. Er symbolisiert den Aspekt der zerstörenden und verschlingenden Mutter. Soweit der Drache erlegt werden muss, um die Hand einer Prinzessin zu gewinnen, wird er auch als Form des Schattenarchetyps interpretiert, der die in der Prinzessin personifizierte Anima gefangen hält. Der Schattenarchetyp steht für die negativen, sozial unerwünschten und daher unterdrückten Züge der Persönlichkeit, für jenen Teil des „Ich“, der wegen gesellschaftsfeindlicher Tendenzen in das Unbewusste abgeschoben wird. Die Anima, für Jung der „Archetyp des Lebens“ schlechthin, ist eine Qualität im Unbewussten des Mannes, eine „weibliche Seite“ in seinem psychischen Apparat. Nach dieser Ansicht symbolisiert der Drachenkampf also die Auseinandersetzung zwischen zwei Teilen der Persönlichkeit des Mannes.

Andere tiefenpsychologische und psychoanalytische Deutungen sehen im Drachen eine Verkörperung der feindlichen Kräfte, die das Selbst an seiner Befreiung hindern; ein Imago des übermächtigen Vaters, ein Symbol von Macht und Herrschaft und eine Sanktionsfigur von Tabus. Der Drachenkampf ist in psychologischer Sicht ein Symbol für den Kampf mit dem Bösen in und außerhalb der eigenen Person.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Drache_%28Mythologie%29

Samstag, 6. August 2011

Great Ape Project

Das Great Ape Project (kurz: GAP) ist eine internationale Organisation, hinter der die Idee steht, bestimmte Grundrechte, die derzeit dem Menschen vorbehalten sind, für die Menschenaffen (engl. Great Apes) - also Bonobos, Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans - zu fordern: Das Recht auf Leben, der Schutz der individuellen Freiheit, Verbot von Folter.

Das GAP geht zurück auf das 1993 erschienene Buch „Menschenrechte für die Großen Menschenaffen - Das Great Ape Projekt“ (Originaltitel: The Great Ape Project: Equality Beyond Humanity), das von den Philosophen Paola Cavalieri und Peter Singer herausgegeben wurde. Es enthält Beiträge von 34 Autoren, darunter Jane Goodall und Richard Dawkins. Im Rahmen des GAP wird weltweit versucht, die Rechte auf Leben, Freiheit und ein Verbot der Folter von Großen Menschenaffen durchzusetzen; aufgrund der großen genetischen Ähnlichkeit mit dem Menschen und dem ähnlich komplexen Geistes- und Gefühlsleben müssten diese gewährleistet werden.

Bildquelle: http://einestages.spiegel.de/hund-images/2009/01/07/94/da30acca3238cf621ca228d53d6b0271_image_document_large_featured_borderless.jpg

Die Forderungen werden durch verschiedene Tierethiken gestützt, die teilweise noch weiter gehen, und anderen Tieren ebenfalls Rechte zusprechen. In Animal Liberation. Die Befreiung der Tiere fordert Peter Singer eine gleiche Berücksichtigung der Interessen aller empfindungsfähigen Wesen.
Inhaltsverzeichnis

Argumente

In „Menschenrechte für die Großen Menschenaffen – Das Great Ape Projekt“ findet sich zu Beginn die „Deklaration über die Großen Menschenaffen“, die das Ziel des Great Ape Project festlegt:

"Wir fordern, daß die Gemeinschaft der Gleichen so erweitert wird, daß sie alle Großen Menschenaffen miteinschließt: Menschen, Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans.

Die „Gemeinschaft der Gleichen“ ist die moralische Gemeinschaft, innerhalb derer wir bestimmte moralische Grundsätze oder Rechte anerkennen, die unsere Beziehungen untereinander regeln und gerichtlich einklagbar sind."

Diese Rechte und Grundsätze umfassen das Recht auf Leben, den Schutz der individuellen Freiheit und das Verbot der Folter. Innerhalb des Buches wird von den verschiedenen Verfassern erklärt, was die „Gleichheit“ von Menschen und anderen Großen Menschenaffen ausmacht. So stimmt ihr Erbgut zu fast siebenundneunzig Prozent überein; zwischen Menschen und den Großen Menschenaffen sind Bluttransfusionen möglich. Das Projekt betont jedoch, dass die genetische Verwandtschaft nicht allein ausschlaggebend ist; vielmehr sind es das durch die genetische Ähnlichkeit ermöglichte ähnliche Gefühls- und Denkvermögen sowie Verhalten und Ich-Bewusstsein der Großen Menschenaffen. Diese lassen sich schon seit Charles Darwins Forschungen ausgezeichnet beobachten, zum Beispiel in den verschiedenen Gefühlsregungen, die sich bei Menschenaffen in ähnlichen Gesichtsausdrücken wie beim Menschen zeigen. Auch eine Konversation mit ihnen über Zeichensprache ist möglich. Die Ähnlichkeit der Menschen und Großen Menschenaffen ist also nicht zu leugnen, was die moralischen Ungleichheiten in ihrer Behandlung in Frage stellt.

Reaktionen und Gründe für die Ablehnung

Am 25. Juni 2008 sprach sich der Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und Fischerei des spanischen Parlaments dafür aus, der Spezies der Großen Menschenaffen (Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang-Utans) das Recht auf Leben zuzusichern, sich also ihrem Schutze zu verpflichten. Die spanische Regierung wurde aufgefordert, sich für eine ähnliche EU-weite Erklärung einzusetzen und innerhalb eines Jahres ein Gesetz zu erlassen, das potenziell schädliche Experimente an Menschenaffen untersagt. Das Halten von Menschenaffen in Gefangenschaft solle nur für Zwecke der Arterhaltung erlaubt sein. Darüber hinaus wurde empfohlen, in internationalen Foren und Organisationen Schritte zum Schutz der Menschenaffen vor Misshandlung, Sklaverei, Folter, Tötung und Ausrottung einzuleiten. Es bestand die Hoffnung, dass nach und nach auch anderen Tierarten dieselben Grundrechte verliehen werden könnten. Das spanische Parlament hielt mit der Entschließung seine Unterstützung des Great Ape Project fest.

Die Bemühungen des Parlaments stießen sowohl in Spanien als auch weltweit auf großen Widerstand und haben bis heute keinen wahrnehmbaren Erfolg gebracht. Bereits 2005 wurde versucht, die Tierrechte in Spanien zu stärken; dies scheiterte jedoch, unter anderem an massiven Gegenkampagnen. Nun scheint zu befürchten, dass auch die Entschließung von 2008 zwecklos bleibt. Die Gründe dafür scheinen beschämend nichtig. Die meisten Menschen scheinen von vornherein abgeneigt, einer anderen Spezies als der eigenen die erwähnten Grundrechte zuzugestehen.

Bedürfnis nach Abgrenzung

Singer spricht davon „die Barrieren zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren einzureißen“, und genau hier ist nach Meinung des Projekts eines der zentralsten Probleme zu finden, nämlich das Widerstreben des Menschen, seine gewohnte Überlegenheit gegenüber anderer aufzugeben. In den in „Menschenrechte für die Großen Menschenaffen“ enthaltenen Beiträgen von Philosophen, Natur- und Geisteswissenschaftlern wird vermehrt darauf hingewiesen, wie lange es gedauert hat, bestimmte Gesellschaftsstrukturen aufzubrechen, die auf diesem Beharren auf Überlegenheit beruhten, und wie dieses nun einem Fortschritt des Projekts im Weg steht.

"In der Antike wurde die Vorstellung, dass einige Menschen anderen absolut untergeben sein sollten, als so selbstverständlich betrachtet, daß sie praktisch nicht in Zweifel gezogen wurde. […] Die eigentliche Praxis war tatsächlich so weitgehend akzeptiert und die Gesellschaft durchdringend, daß behauptet wird, „es gab keine Handlung und keine Überzeugung oder Institution in der griechisch-römischen Antike, wo nicht auf die eine oder andere Weise die Möglichkeit bestand, daß irgendein Beteiligter ein Sklave sein könnte.“ Hier gibt es eine auffällige Parallele zu der Art und Weise mit der die meisten Menschen die absolute Unterwerfung der Tiere durch die Menschen noch immer als selbstverständlich betrachten."

Menschen zögen also seit jeher Grenzen innerhalb ihrer eigenen Spezies, die sich erst seit vergleichsweise kurzer Zeit aufzulösen beginnen. Ein solcher Reflex, sich von anderen abheben zu wollen, steht dem Ziel einer „Gemeinschaft der Gleichen“ im Weg. Würde der Große Menschenaffe nun mit dem Menschen gleichgesetzt, ist die Überlegenheit dahin; außerdem würde der Mensch daran erinnert, dass er selbst eigentlich auch „nur“ ein Tier ist, eine gern verdrängte Tatsache. Raymond Corbey bringt dies in seinem Beitrag auf den Punkt:

"Die vieldeutige Ähnlichkeit der Affen mit uns […] macht sie zu einer potenziellen Bedrohung unserer eigenen Identität […] Diese Bedrohung nötigt den Menschen, die primitive Tierhaftigkeit und den niederen Rang des Menschenaffen immer wieder zu bekräftigen, um die klare Grenze zwischen Mensch und Tier zu schützen. Denn wir brauchen diese Grenze unbedingt, um auch weiterhin jedes Jahr Millionen von Tieren töten und essen zu können, während wir es unterlassen, Menschen zu töten und zu essen. Dadurch, dass wir diesen Abstand herstellen, halten wir die so beunruhigende Vertrautheit mit den Menschenaffen in sicherer Distanz und sorgen dafür, daß sie sich in Luft auflöst."

Konflikte

Dies führt zu einem weiteren Grund, warum die Umsetzung der Ziele so schwer ist. Würde sich das Projekt durchsetzen, bildeten sich weltweit Konflikte; jeder einzelne müsste seine und die gesellschaftlichen Grundansichten, tief verwurzelte Moral- und Wertvorstellungen, hinterfragen; dies würde große Anstrengungen erfordern, zu denen sich die meisten Menschen nicht aufraffen wollen. Es braucht stets die Bemühungen Einzelner, um eine dauerhafte Veränderung zu ermöglichen. Ohne die nötige öffentliche Unterstützung laufen diese jedoch Gefahr, im Sande zu verlaufen. Da die meisten Politiker Fehler jedoch lieber notdürftig verscharren, statt sie aufzuarbeiten, dürfte dies noch einige Zeit dauern und viel Überzeugungsarbeit kosten.

Mit einem schweren Konflikt sähe sich auch die Medizin konfrontiert; Tierversuche bekämen eine tiefere moralische Bewertung. Tierrechtler weisen darauf hin, dass viele Große Menschenaffen in Laboratorien ein Leben in Gefangenschaft fristen. 65 000 - 70 000 Menschenaffen werden allein in den USA und der EU zu Forschungszwecken gefangen gehalten. Aufgrund der genetischen Nähe zum Menschen sind sie ideale Kandidaten für diverse Untersuchungen und Studien aus dem neurologischen und genetischen Bereich, die unter anderem die Auswirkungen diverser Substanzen auf den menschlichen Organismus zeigen sollen. So werden die Menschenaffen in Experimenten mit Erregern wie HIV, Hepatitis und Polio infiziert, um anschließend die Wirkungsweisen von Medikamenten und ihre Toxizitätsgrenze zu testen. Auch Hirnreaktionen und Sichtvermögen werden ausgelotet. Da man annehmen kann, dass Menschenaffen Schmerzen und Angst auf ähnliche Art erleben wie Menschen, ist deren wissentliches Zufügen als Folter zu bewerten. Würde man als Lösung nun eine Verlagerung der Experimente auf Menschen vorschlagen, hätte dies aber weltweites Entsetzen zur Folge. Selbst bei freiwilliger Teilnahme handelte es sich um einen Bruch der Menschenrechte, und es ist kaum realistisch anzunehmen, dass sich bis zu 70 000 Menschen für solche Experimente zur Verfügung stellen würden.

Das Entsetzen beim Vorschlag einer solchen Umstellung auf Experimente mit menschlichen Kandidaten steht im krassen Gegensatz zu Singers Philosophie, laut der jedes Leben, ob das eines Menschen oder Tieres, gleich viel wert ist. Jared Diamond beschreibt die tabuisierte Möglichkeit dieser Umstellung folgendermaßen:

"Es gibt keine sozial akzeptierte menschliche Analogie zu medizinischer Forschung an Tieren, obwohl tödliche Experimente mit Menschen der medizinischen Wissenschaft sehr viel wertvollere Informationen liefern würden als tödliche Experimente mit Schimpansen."

Die Medizin ist in ihrer Ethik jedoch an die Bedürfnisse der Patienten gebunden. Sie bedient sich genauso eines Utilitarismus wie Peter Singers Philosophie; es geht um den optimalen Nutzen einer Menge von Individuen. Im Fall der Medizin ist die harte Wahrheit, dass die Schmerzen und der Tod eines Anteils von Lebewesen notwendig sind, um das Überleben eines anderen, im Idealfall größeren Anteils zu sichern, seien das nun Menschen oder Tiere. Die „Interessen“ aller bei einer „moralischen Handlung“ wie in der Theorie des Präferenzutilitarismus von Singer zu gleichen Teilen zu sichern, ist der Medizin unmöglich. Die elenden Lebensumstände der Labortiere zu ändern, ist aber sehr wohl möglich; deren extreme Vernachlässigung ist keine Voraussetzung für Forschungserfolg, sondern nur Ergebnis von Desinteresse und Faulheit der Forscher, die sie „betreuen“.

Ausblick

Man sprach in den Verhandlungen vom „Menschen“-Recht auf Leben, das also vom Mensch verliehen werden muss. Die Gründer des Great Ape Project berufen sich im Nachwort von „Menschenrechte für die Großen Menschenaffen – Das Great Ape Projekt“ darauf, dass eine erfolgreiche Aufnahme der Großen Menschenaffen in die „Gemeinschaft der Gleichen“ und die Verleihung der besagten Rechte ein noch größeres Umdenken auslösen kann. Sie nehmen Stellung dazu, dass sie sich in ihrem Projekt zu sehr auf die intelligenten Großen Menschenaffen beziehen „und somit einen weiteren Fortschritt für die Tiere, deren Begabungen weniger den unsrigen entsprechen, verhindern oder zumindest erschweren“ könnten; doch

"Reformer können nur von einer gegebenen Situation ausgehen und sich von dort aus vorarbeiten; sobald sie einige Fortschritte erzielt haben, wird ihr nächster Ausgangspunkt ein wenig weiter vorgerückt sein, und wenn sie stark genug sind, können sie von diesem Punkt aus Druck ausüben."

Auszeichnungen

Paola Cavalieri und Peter Singer wurde 2011 der Ethik-Preis der Giordano-Bruno-Stiftung für ihr Engagement für das Great Ape Project verliehen.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Great_Ape_Project

PDF der Giordano-Bruno-Stiftung:
www.giordano-bruno-stiftung.de/files/menschenaffen.pdf

Die 80000 geknackt!

Und wieder haben wir eine magische Marke durchbrochen und wieder muß ich Euch für Euer Interesse danken.

Bildquelle: http://www.hubworld.com/