Freitag, 24. August 2012

Fossilfunde erweitern menschlichen Stammbaum

Homo erectus war nicht allein: Vor etwa zwei Millionen Jahren lebten neben den Vorfahren des Homo sapiens zwei andere Menschenarten in Afrika, die zur Gattung Homo zählen - darauf lassen Funde in Kenia schließen. Sie lösen auch das Rätsel um ein vor 40 Jahren ausgegrabenes Knochenstück.



Knapp zwei Millionen Jahre alte Fossilien zeigen, dass neben unserem Vorfahren Homo erectus mindestens zwei weitere Menschenarten in Ostafrika lebten. Forscher haben die Knochen zwischen 2007 und 2009 im Osten des Turkana-Sees in Kenia ausgegraben. Im Wissenschaftsmagazin "Nature" präsentieren sie nun ihre Schlussfolgerung, die der menschlichen Entwicklungsgeschichte ein weiteres Puzzlestück hinzufügt.

Neu entdeckt haben die Forscher einen Gesichtsschädel, einen sehr gut erhaltenen Unterkiefer und den Teil eines zweiten Unterkiefers. Die Knochen werden auf ein Alter von 1,78 bis 1,95 Millionen Jahre datiert und waren im Rahmen des von Meave und Louise Leakey geleiteten Koobi-Fora-Forschungsprojekts (KFRP) ausgegraben worden.

Diese Fossilien ermöglichten es den Wissenschaftlern, einen älteren Fund besser einzuordnen: Bereits vor 40 Jahren hatte man am Turkana-See das rätselhafte Fossil KNM-ER 1470 (kurz: "1470") entdeckt, das sich von anderen Fossilien unterschied, die ebenfalls nicht dem Homo erectus zuzuordnen waren. Dieser rund zwei Millionen Jahre alte Schädel zeichnete sich durch ein großes Gehirn und ein langes, flaches Gesicht aus, jedoch enthielt das Fossil keinen Unterkiefer und keine Zähne, was eine Einordnung schwierig machte. Zeigte es nur die innerhalb einer Art möglichen Abweichungen? Oder handelte es sich um eine andere Spezies?



"In den vergangenen 40 Jahren haben wir in den gewaltigen Sedimentflächen rund um den Turkana-See angestrengt nach Fossilien gesucht, die die einzigartigen Merkmale des Gesichts von Fossil 1470 teilen und uns zeigen, wie seine Zähne und sein Unterkiefer ausgesehen hätten", sagt Meave Leakey, eine der Leiterinnen des KFRP. "Endlich haben wir einige Antworten gefunden."

Der neu entdeckte Gesichtsschädel sei eine kleinere Version des charakteristisch flachen und großen Gesichts von Fossil 1470, teilt das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig mit - der an der Forschungseinrichtung arbeitende Fred Spoor war an der Studie beteiligt. Die erhaltenen Backenzähne ermöglichten es, die neuen Unterkiefer sowohl mit dem neuen Gesichtsschädel als auch mit "1470" in Verbindung zu bringen.

"Zusammengenommen geben uns die drei neuen Fossilien Aufschluss darüber, wie Fossil 1470 tatsächlich ausgesehen hat. Jetzt ist klar, dass zwei weitere frühe Vertreter der Gattung Homo neben Homo erectus lebten", so Spoor.

Welche Namen bekommen die Arten?

Vermutlich habe Homo erectus überlebt, weil er ein größeres Gehirn hatte als die anderen Arten, sagt Meave Leakey. "Homo erectus war schlauer und konnte wahrscheinlich bessere Steinwerkzeuge herstellen und leichter Nahrung finden, als die anderen Spezies." So konnte er sich letztlich zum Homo sapiens entwickeln.

Einen Namen für die Spezies, die von "1470" repräsentiert wird, nennen die Forscher bewusst nicht - obwohl sie durch die neuen Funde nun klar zwei Gruppen früher Menschen voneinander abgrenzen können, die beide nicht zu Homo erectus zählen.

Mögliche Bezeichnungen wären Homo habilis oder Homo rudolfensis. Doch bevor diese Entscheidung gefällt werde, müssten die nun entdeckten Fossilien erst mit einem Fund aus den sechziger Jahren verglichen werden - dem Fossil OH7, einem Unterkieferstück, auf dessen Basis Homo habilis erstmals beschrieben wurde. Die Gruppen werden demzufolge wohl altbekannte Namen tragen - nur welche welchen, das ist noch nicht klar.

Oder wird es doch komplizierter? In einem Kommentar in "Nature" stellt Bernard Wood von der George Washington University in Washington D.C. in Aussicht. Es sei durchaus möglich, dass einige der Fossilien zu einer dritten Homo-Art gehörten, schreibt er. Außerdem würden einige Forscher die Frage stellen, ob die Fossilien, die Homo habilis und Homo rudolfensis zugeordnet werden, nicht den Begriff der Gattung "Homo" überstrapazieren. "Vielleicht gehörten sie zu einer anderen Abstammungslinie als der, aus der sich Homo sapiens entwickelte?", fragt der Paläoanthropologe.

wbr/dpa

Quelle: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/fossilfunde-in-kenia-deuten-auf-weitere-fruehe-menschenarten-in-afrika-a-848880.html

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