Warum Orang-Utans Sexfilme anschauen dürfen – und was sie dabei lernen. Frank Brandstätter, Direktor des Dortmunder Zoos, klärt auf
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DIE ZEIT: Angeblich lassen sich lustlose Affenpaare durch das Anschauen von Pornofilmen zur Paarung anregen. Stimmt das?
Frank Brandstätter: Ja, das stimmt. Affen machen nach, was sie sehen, und lassen sich davon stimulieren. Wenn Menschen vor dem Käfig Grimassen schneiden, dann imitieren die Affen das ja auch. Beim Porno funktioniert das genauso.
ZEIT: Wer ist denn als Erster auf die Idee gekommen, Affen mit Pornos anzuregen?
Brandstätter: Das weiß ich nicht. Aber das ist eine gängige Lehrmeinung und steht auch in der Fachliteratur, in irgendeinem tiergärtnerischen Werk.
ZEIT: Haben Sie das Verfahren auch in Ihrem Zoo in Dortmund ausprobiert?
Brandstätter: Vor vielen Jahren hatten wir eine Orang-Utan-Dame, die sich vor Affenmännern gefürchtet hat. Der haben wir einen erotischen Film gezeigt, in dem sich Menschenmann und frau sehr geliebt haben. Das war eigentlich nicht pornografisch, sondern die beiden sind sehr zärtlich miteinander umgegangen. Da hat die Orang-Frau angefangen, selbst solche Zärtlichkeiten weiterzugeben. Und sie hat dann auch die Männer an sich rangelassen. Orang-Utans, gerade die Männchen, sind überhaupt sehr zärtlich bei der Werbung um die Partnerin. Sie streicheln ihr den Kopf oder stupsen sie sanft an. Ich weiß also aus eigener zoologischer Erfahrung, dass das funktioniert mit den Filmen.
ZEIT: Sind Softpornos besonders gut für Orang-Utans geeignet?
Brandstätter: Nicht generell; es kommt darauf an, was man erreichen will. Ich weiß nicht, wie gut Sie sich auskennen, aber bei Pornofilmen gibt es ja eine Riesenpalette. Man muss den Film vernünftig auswählen.
ZEIT: Das müssen Sie erklären.
Brandstätter: Viele junge Orang-Utan-Männer wissen nicht, was sie mit ihrem Penis anfangen sollen. Sie haben keine Ahnung, wo der beim Weibchen hingehört. Sie probieren dann Verschiedenes aus, sitzen etwa auf dem Kopf des Weibchens oder sonst was. Wenn man denen nun zeigen will, wie es richtig funktioniert, muss man bedenken, dass bei den Orang-Utans aus anatomischen Gründen nichts geht, wenn sie Bauch an Bauch sitzen. Das heißt, man muss einen Porno aussuchen, in dem Geschlechtsverkehr von hinten gezeigt wird.
ZEIT: Warum nimmt man denn für diesen Aufklärungsunterricht nicht Affenpornos?
Brandstätter: Das wäre ideal. Aber es ist sehr schwer, solche Filme zu kriegen. Pornos mit Menschen dagegen gibt es überall.
ZEIT: Sind Menschenaffen generell nachhilfebedürftig, was die Paarung betrifft?
Brandstätter: Im Allgemeinen nicht, aber bei Tieren in Gefangenschaft kann das gelegentlich vorkommen. Auch in der freien Wildbahn wissen die Jungtiere nur dann, wie es geht, wenn sie es vorher bei den Alten abgeguckt haben. Das gilt übrigens für alle Tiere. Im Zoo aber muss manchmal ein Jungtier per Hand aufgezogen werden – und dem muss man zeigen, was es sich nicht bei Artgenossen abgucken kann. Das gilt nicht nur für die Sexualität, sondern zum Beispiel auch für das Nahrungssuchverhalten. Auch das kann man Menschenaffen über entsprechende Fernsehsendungen vermitteln.
ZEIT: Und die Affen sehen keinen Unterschied zwischen Mensch und Affe?
Brandstätter: Menschenaffen sind clever genug, um uns Menschen als ihnen ähnlich anzusehen, genauso wie wir umgekehrt sie als uns ähnlich empfinden. Orang-Utan-Männer reagieren stark auf Menschenfrauen mit langem rotem Haar. Orangs haben ja selbst rötliche Haare und fahren da richtig drauf ab. Sie kommen auch viel besser mit Tierpflegern zurecht, die etwas untersetzt und kräftig sind, also von der Statur her ein bisschen was von einem Orang-Utan haben. Von einem kleinen zierlichen Persönchen lassen sich die Affen nichts sagen. Sie reagieren sehr stark auf äußerliche Reize und äußere Erscheinung.
ZEIT: Gibt es da Unterschiede etwa zwischen Orang-Utans und Gorillas?
Brandstätter: Ja, die unterscheiden sich sehr. Orang-Utans sind den Menschen mit am ähnlichsten, was die Verhaltensweisen angeht. Das liegt vielleicht daran, dass sie Einzelgänger sind, während Schimpansen und Gorillas zu den Herdentieren gehören. Vor einem einzelnen Schimpansen oder Gorilla braucht man normalerweise keine Angst zu haben. Allein sind sie feige, sie fühlen sich nur in der Herde stark.
ZEIT: Hier wären also eher Gruppensexfilme angesagt?
Brandstätter: Wer weiß. Das müsste man ausprobieren.
ZEIT: Könnten Pornos auch andere Tiere anregen, etwa Pandabären, die ja chronische Paarungsprobleme haben?
Brandstätter: Nein, solche Tiere reagieren nicht auf Bilder. Nur Menschenaffen haben die gleiche Sichtweise wie Menschen. Die Augenstellung ist etwa gleich und die Qualität des Auges auch. Wir haben einmal einer alten Orang-Utan-Dame das Leben verschönt, die allein in ihrem Käfig sein musste. Damit sie sich nicht so langweilte, haben wir ihr einen Fernseher vor die Anlage gestellt. Den hat sie sehr geliebt. Am liebsten hat sie MTV geguckt.
Die Fragen stellte Sabine Etzold
Quelle: http://www.zeit.de/2003/12/N-Affenpornos
Montag, 20. Dezember 2010
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