Freitag, 13. April 2012

Frans de Waal

Fransiscus Bernardus Maria (Frans) de Waal (* 29. Oktober 1948 in ’s-Hertogenbosch, Niederlande) ist ein Zoologe und Verhaltensforscher, der sich seit Anfang der 1970er Jahre speziell mit Schimpansen und Bonobos befasst, aber auch mit Makaken, Kapuzineraffen, Elefanten und Buntbarschen.

Biographie

Frans de Waal studierte von 1966 bis 1973 in Nimwegen und Groningen Biologie und Ethnologie und erwarb seinen Doktortitel 1977 an der Universität Utrecht im Fach Biologie, wo er auch bis 1981 als wissenschaftlicher Assistent im Labor für vergleichende Physiologie im Burgers Zoo, Arnheim, tätig war. Danach wechselte er in die USA über, wo er zunächst als Gaststudent und ab 1982 als Forschungsassistent am Wisconsin Regional Primate Research Center (WRPRC), Madison, tätig war. Ab 1988 hatte er eine Professur für Verhaltensforschung an der biologischen Fakultät der Universität Wisconsin-Milwaukee inne. 1990 wurde er an der Fakultät für Psychologie der Emory University (Atlanta) zum Professor für Psychobiologie berufen. Seit 1991 ist er ferner Direktor des Living Links Center, einem Zentrum zur Erforschung der Evolution von Menschenaffen und Menschen im Yerkes National Primate Research Center in Atlanta. Frans de Waal ist durch zahlreiche populärwissenschaftliche Buchveröffentlichungen über das Verhalten der Menschenaffen auch in Deutschland bekannt geworden. Im Jahr 2007 wurde er zudem von der US-amerikanischen Zeitschrift Time in die Liste der einflussreichsten Menschen des Jahres auf Platz 79 gewählt.



Forschungsbereich

Die Schwerpunkte von de Waals Arbeiten liegen in der Erforschung der tierischen und menschlichen Entwicklung von Kultur, Moral und der Entstehung von Empathie und Altruismus als einer der Grundlagen der Sozialisation innerhalb von Gruppen und im Speziellen der sich daraus später entstehenden besonderen Aspekte der Menschwerdung. De Waal geht dabei davon aus, dass die Entstehung von Moral und Kultur keine rein menschlichen Leistungen sind und sich daher auch vermehrt im Tierreich herausgebildet haben müssen. De Waal sieht dabei die Moral als einen evolutionären Prozess an, der geschaffen wurde, um soziale Normen untereinander zu entwickeln, um dadurch die Befähigung zu erhalten, Konfliktlösungsstrategien und Mechanismen zur gegenseitigen Hilfe in sozialisiert lebenden Gruppen herauszubilden.

De Waals erste Studien im Zoo von Arnheim in den 1980er Jahren beschäftigten sich mit dem Sozialverhalten von Schimpansen. De Waal fand heraus, dass Affen durch starke soziale Bindungen innerhalb der Gruppe verbunden sind und die Individuen starke emotionale Bindungen untereinander eingehen, aber auch, dass Affen „tricksen, lügen und einander betrügen“. Seine frühen Forschungsergebnisse fasste de Waal in der populärwissenschaftlichen Veröffentlichung „Wilde Diplomaten“ zusammen.

In weiteren Studien beschäftigte sich de Waal mit dem Sozialverhalten von Orang-Utans, Bonobos und Gorillas. De Waal wies nach, dass bei allen Menschenaffen moralische Verhaltensweisen wie „Helfen“ und „Gutsein“ vorkommen und schließt daraus, dass sich soziale Verhaltensweisen mit der Evolution herausgebildet haben, da sie dem Individuum und der Gruppe den maximalen Vorteil eingebracht hätten. Je mehr sich Affen untereinander helfen, je besser sei dies für die Gemeinschaft. De Waal untersuchte intensiv die Sexualität von Menschenaffen und stellte hier große Unterschiede fest. Während Sex bei Schimpansen fast immer etwas mit Dominanz und Unterwerfung zu tun habe, diene die Sexualität der Bonobos dem Spannungsabbau in allen möglichen Situationen und verlaufe viel harmonischer.

Was den vom Menschen definierten Begriff der Kultur betrifft, geht de Waal von einer eigenen, abgewandelten Definition aus.

„Kultur ist eine Lebensweise, die von Mitgliedern einer bestimmten Gruppe geteilt wird, aber nicht zwangsläufig auch mit den Mitgliedern anderer Gruppen derselben Spezies. Sie umfasst Kenntnisse, Gewohnheiten und Fertigkeiten einschließlich zugrundelegende Tendenzen und Präferenzen, die aus der ständigen Begegnung mit anderen und dem Lernen von ihnen abgeleitet sind. Überall dort, wo systematische Unterschiede im Hinblick auf Kenntnisse, Gewohnheiten und Fertigkeiten zwischen Gruppen nicht durch genetische oder ökologische Faktoren erklärt werden können, sind sie vermutlich kulturell bedingt. Die Frage, wie Individuen voneinander lernen ist zweitrangig: es kommt lediglich darauf an, dass sie es tun. Somit fallen Kenntnisse, Gewohnheiten und Fertigkeiten, die von Individuen aus eigenem Antrieb erworben wurde, nicht unter diesen Begriff der ‚Kultur‘.“

– Der Affe und der Sushimeister

Da als Grundlage von menschlicher Kultur im Allgemeinen dann gesprochen wird, wenn es darum geht, Fähigkeiten entwickelt zu haben, welchen das Lernen, der Werkzeuggebrauch, die Verwendung von Symbolen und Zeichen oder die Vermittlung von Wissen entspricht, und um diese dann an nächstfolgende Generationen weiterzugeben, gilt es laut de Waal zu überdenken, ob eine solche Trennung von menschlicher Kultur und Natur in dieser Weise noch als gerechtfertigt angesehen werden kann.

De Waal geht in seinen Forschungen dabei im Besonderen auf Ansätze zurück, die von den beiden japanischen Primatologen Kinji Imanishi und Junichiro Itani in den 1950er Jahren zuerst angewendet wurden. Diese Betrachtungsweise gilt daher auch als ein gesonderter Weg der fernöstlich geprägten Verhaltensforschung, welche im Gegensatz zu den im ‚Westen‘ angewandten Methodiken steht. De Waal geht dabei – ebenso wie seine japanischen Kollegen – von einer mehr anthropomorphen Sichtweise von tierischem Verhalten aus und stellt diese dem Menschen vergleichend gegenüber, um daraus evolutionsgeschichtliche Gemeinsamkeiten von Menschen und Tieren miteinander zu vergleichen, voneinander abzuleiten und zu erklären.

Werke

Unsere haarigen Vettern. Neueste Erfahrungen mit Schimpansen. Harnack Verlag, München 1983, ISBN 3-8896-6001-0

Peacemaking among Primates, Harvard University Press, Cambridge, Mass. 1989
deutsch:Wilde Diplomaten. Versöhnung und Entspannungspolitik bei Affen und Menschen, Carl Hanser Verlag, München 1991, ISBN 3-446-16003-5

Good natured: the origin of right and wrong in humans and other animals, Harvard University Press, Cambridge, Mass. 1996, ISBN 0-674-35660-8

deutsch: Der gute Affe. Der Ursprung von Recht und Unrecht bei Menschen und anderen Tieren, dtv, München 2000, ISBN 3-423-33057-0

Bonobos. Die zärtlichen Menschenaffen. Birkhäuser Verlag, Basel 1998, ISBN 3-7643-5826-2

Eine schöne Verwandtschaft. Das Familienleben der Menschenaffen. Nymphenburger Verlagsbuchhandlung, München 2004, ISBN 3-485-01019-7

Der Affe und der Sushimeister. Das kulturelle Leben der Tiere. Dtv, München 2005, ISBN 3-423-34164-5

Der Affe in uns. Warum wir sind, wie wir sind. Carl Hanser Verlag, München 2006, ISBN 3-446-20780-5

Primaten und Philosophen. Wie die Evolution die Moral hervorbrachte. Carl Hanser Verlag, München 2008, ISBN 978-3-446-23083-5

Das Prinzip Empathie. Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können. (Orig.: The age of empathy). Carl Hanser Verlag, München 2011, ISBN 978-3446236578

Veröffentlichungen

1995: Bonobo Sex and Society The behavior of a close relative challenges assumptions about male supremacy in human evolution, Scientific American, vol 272, no 3, p 82-88
1997: Are We in Anthropodenial?, Discover, pp. 50–53. July 1997.
1999: The End of Nature Versus Nurture, Scientific American, vol 281, no 6, p 94-99
2001: Do Humans Alone 'Feel Your Pain'? (Chronicle.com, October 26, 2001)
2006: Self-recognition in an Asian elephant, PNAS, vol 103, no 45, 17053-17057
2007: Bonobos, Left & Right Skeptic, (8 August 2007).
2008: Putting the Altruism Back into Altruism: The Evolution of Empathy, Annual Review of Psychology, Vol. 59: 279-300
2009: Darwin's last laugh, Essay, Nature 460, 175 (9 July 2009)
2010: Towards a bottom-up perspective on animal and human cognition, Trends in Cognitive Sciences 201-207. May 2010
2011: Elephants know when they need a helping trunk in a cooperative task, Proceedings of the National Academy of Sciences 5116-5221. Volume 108, no 12. March 2011

Auszeichnungen

1989 Los Angeles Times Book Award für Peacemaking among Primates
1993 Royal Dutch Academy of Sciences
2004 Member of the (US) National Academy of Sciences
2005 Arthur W. Staats Award, American Psychological Foundation
2005 Member of the American Philosophical Society
2007 Time Magazine 100 World’s Most Influential People Today
2008 Fellow of the American Academy of Arts & Sciences
2009 Doctor Honoris Causa, University for Humanistics (Netherlands)
2009 Medal, Ariëns Kappers (Netherlands Institute for Neuroscience)
2009 Medal, Società di Medicina & Scienze Naturali, Parma (Italien)
2010 Order of the Netherlands' Lion

Zitate

„Da wir von einer langen Ahnenreihe gesellig lebender Primaten abstammen, hat uns die Natur ein starkes Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe, nach Zusammenleben und Zusammenarbeiten mit Artgenossen mitgegeben, und das bestimmt in hohem Maße unser Verhalten gegenüber unseresgleichen.“

„Wir können zeigen, dass wesentliche Elemente menschlichen Wirtschaftsverhaltens wie Reziprozität - Gutes mit Gutem vergelten-, faires Teilen und Kooperation sich nicht auf unsere Spezies beschränken. Wahrscheinlich entwickelten sie sich bei anderen Tierarten, weil sie ihnen dieselben Selektionsvorteile bieten wie uns: Ein Individuum kann ein Optimum an Nutzen von einem anderen beziehen, ohne die gemeinsamen, für das Gruppenleben unabdingbaren Interessen zu beeinträchtigen..“

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Frans_de_Waal

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